Dornteufel: Thriller (German Edition)
mich noch mal aufs Revier begleiten, oder wollen wir in der Nähe etwas trinken gehen? Sie sehen aus, als könnten Sie was vertragen.«
»Danke vielmals. Ich könnte wirklich was vertragen. Einen heißen Kaffee meine ich natürlich.«
»Selbstredend.« Er verzog keine Miene. »Folgen Sie mir.«
Er führte sie in eine dunkle irische Bar einen Block weiter und orderte ungefragt zwei Whisky. Dass Rebecca eine Augenbraue hochzog und rasch noch einen Kaffee bestellte, überging er geflissentlich. Der hagere Mann hinter dem Tresen ebenfalls. Ferland kippte wie selbstverständlich seinen Drink herunter.
»Nun noch mal von vorn: Wir haben Ihre tote Schwester, Moira Stern, die sich vor meinen Augen von einer Feuertreppe in den Tod gestürzt hat, die aber als Leiche nicht mehr wie Ihre Schwester aussieht, sondern eher wie eine alte ägyptische Mumie.« Er ignorierte, dass Rebecca bei diesem Vergleich scharf die Luft einsog. »Des Weiteren gibt es einen Einbruch in der Wohnung Ihrer Schwester zu vermelden, aber keine Einbruchsspuren. Wann das passiert ist, wissen wir nicht. Auch nicht, warum. Es sei denn, Sie offenbaren mir jetzt, dass Ihre Schwester im Besitz irgendwelcher Reichtümer gewesen ist.«
Rebecca entschied sich, ihm nicht zu erzählen, dass Moira vermutlich ihre Ohrringe gestohlen hatte. Er wusste sowieso schon zu viel aus ihrem Privatleben. »Das bisschen Familienschmuck, das ihr mal gehörte, hat sie entweder versetzt oder mir zur Verwahrung gegeben.«
»Um was handelte es sich denn da?«
Rebecca beschrieb ihm ihre Perlenohrringe und die Halskette, die Moira von der Großmutter geerbt hatte. Vielleicht tauchten sie ja doch noch mal irgendwo auf?
»In was für Schwierigkeiten hat Ihre Schwester da eigentlich gesteckt?«, fragte Ferland mitleidlos.
Rebecca unterdrückte den Drang, diese Annahme rigoros abzustreiten. Stattdessen berichtete sie ihm von Moiras wohl wenig erfolgreicher Karriere als Model, von ihrer überwundenen Drogensucht, ihrem Hang zu Männern, die nicht gut für sie waren, und schloss damit, dass ihr beiderseitiges Verhältnis nicht gerade das beste gewesen sei.
»Wo lag das Problem?«
Rebecca fühlte sich unter seinen wassergrünen Augen wie auf einem Seziertisch. »Sie war eifersüchtig, weil ich einen guten Job habe, eine schöne Wohnung und …« Sie zögerte.
»Ja?«
»Einen großzügigen Freund.«
»Aha. Eifersucht deswegen?«
»Moira ist in dem Glauben aufgewachsen, dass ihr, weil sie so hübsch war – viel hübscher als ich –, alles Glück der Welt zustünde. Bedauerlicherweise haben die Leute, die ihr das eingeredet haben, ihr nicht erzählt, dass sie im Leben auch etwas leisten muss.«
»Das viel beschriebene Unglück der Schönen?«, fragte Ferland zynisch.
»Bei ihr war es so. Aber warum sie so verzweifelt gewesen ist, dass sie sich umgebracht hat, kann ich trotzdem nicht begreifen.«
»Das liegt doch auf der Hand«, sagte Ferland und sah ihr prüfend in die Augen.
Rebecca verspürte den Wunsch, den Whiskey zu trinken, der vor ihr stand. Und vielleicht noch einen zweiten. »Ach ja?«
»Haben Sie sich Ihre Schwester eigentlich richtig angeschaut, Miss Stern?«
B IHAR , I NDIEN
Julia arbeitete sich weiter in Tjorven Lundgrens Arbeitsbereich ein, und Milan stand ihr dabei mehr oder weniger hilfreich zur Seite. Da die klimatechnische Anlage wie der gesamte Gebäudekomplex nach und nach erweitert worden war, existierten keine umfassenden Pläne für das gesamte System. Lundgren hatte verschiedene Fassungen der Pläne auf DVDs gespeichert, die nicht auf der Festplatte ihres Arbeitsrechners zu finden waren. Sie hatte die DVDs in der untersten Schublade seines Rollcontainers gefunden, zwischen einem Indien-Reiseführer und ICL-Themocontrol-Unterlagen.
Julia wunderte sich über die unorthodoxe, zum Teil schlampige Dokumentation der in Betrieb befindlichen Anlage. Sie saß gerade allein vor ihrem Bildschirm und studierte eine technische Zeichnung, die sie sich von einer DVD hochgeladen hatte, als Robert Parminski anklopfte und dann eintrat. Julia zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Nach ihrer gemeinsam verbrachten Nacht in Patna waren sie übereingekommen, dass es niemanden bei Serail Almond etwas anging, was sie füreinander empfanden. Dies bedeutete jedoch, dass sie sich nur heimlich treffen konnten und vor anderen weiterhin ein wenig unterkühlt miteinander kommunizierten.
Er sah sich kurz um. Als er feststellte, dass sie beide alleine waren, zog er Julia von ihrem
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