Dornteufel: Thriller (German Edition)
kippte gegen seinen Rücken. Reflexartig versuchte er, sich irgendwo festzuhalten, und ließ dabei die Pistole auf den Teppichboden fallen.
Julia sprang vor und griff nach der Waffe. Auch Gallagher stürzte nach vorn, um sie daran zu hindern, doch sie hatte die Pistole schon in der Hand. Er reagierte blitzschnell und trat wie ein Kickboxer nach ihr. Sie wurde an der Schulter getroffen und rückwärts auf das Bett geschleudert. Doch sie hielt, auf dem Rücken liegend, die Waffe mit beiden Händen umklammert und zielte damit auf Gallagher. Er erstarrte, als er in die Mündung seiner eigenen Pistole blickte. Sie rollte sich zur Seite, kam auf die Füße und hastete zur Tür, die sie eben noch selbst verriegelt hatte. Er machte einen Schritt auf Julia zu, aber sie riss die rechte Hand hoch und richtete die Waffe auf Gallagher. Wie eingefroren stand er da, während sie mit der Linken die Zimmertür öffnete und hinausspähte. Der Flur lag verwaist vor ihr. Das Lämpchen über dem rechten Fahrstuhlschacht blinkte. Irgendjemand war auf dem Weg nach oben: Hotelgäste oder ihre Verfolger aus der Limousine? Links lag das Treppenhaus, wo man fast nie jemanden antraf. Die Chancen standen fifty-fifty. Julia entschied sich für das Treppenhaus.
In der Hotelhalle angekommen, war sie einen Moment lang perplex über die Normalität der Szenerie, die sich ihr bot. Sie konnte kaum mit einer Pistole in der Hand hier durchrennen. Rasch verstaute sie die Waffe im Bund ihrer Jeans und zog das T-Shirt darüber, beließ die Hand jedoch am Gürtel. Dann informierte sie die Angestellten am Empfang über den Überfall und bestand darauf, dass nicht nur die Polizei, sondern auch das Konsulat benachrichtigt wurde. Der Hotelmanager zog sie in sein Büro – ob zu ihrem Schutz oder um den anderen Hotelgästen eine Szene zu ersparen, wusste sie nicht. Sie musste verstört aussehen, denn er reichte ihr einen Spezialtrunk für außergewöhnliche Anlässe aus seiner Hausbar.
Julia übergab die Waffe, mit der Gallagher sie bedroht hatte, der bald darauf eintreffenden Polizei. Zusammen mit den Beamten kehrte sie in ihr Hotelzimmer zurück. Dort fanden sie Teeflecken, ein Einschussloch in der cremefarbenen Überdecke sowie Porzellanscherben, Besteck und Reste des Frühstücks, die sich über den Boden verteilt hatten. Doch für Julias Behauptung, dass Leute von Serail Almond hinter ihr her gewesen waren, gab es keinerlei Beweise. Und so kamen die Polizisten zu dem Schluss, es wäre ein »normaler« Einbruch gewesen, bei dem Julia den Täter auf frischer Tat ertappt hatte.
Sie widersprach nicht allzu heftig und verschwieg sogar, dass sie den Angreifer erkannt hatte. Jetzt, wo es fast so weit war, wollte sie ihre Ausreise nach Deutschland nicht gefährden. Immerhin wurde sie für die letzte Nacht in ein anderes Hotel umquartiert und am nächsten Tag mit einer Spezialeskorte zum Flughafen gebracht. Sowohl das Generalkonsulat als auch die Polizei schienen froh zu sein, sie endlich loszuwerden. Als sie durch die Sicherheitskontrolle des Airports ging, zeichnete sich Erleichterung in den Gesichtern ihrer Begleiter ab. Anschließend wurde sie von zwei stoisch blickenden Flughafenpolizisten in Empfang genommen, die sie zum Gate brachten und warteten, bis sie in der Lufthansa-Maschine verschwunden war.
P ARIS , F RANKREICH
Der Journalist Paul Renard erwachte mit einem wattigen Gefühl im Mund und stechenden Kopfschmerzen. Er schaltete das Licht neben seinem Bett ein, um zu sehen, wie spät es war, stöhnte und machte es sofort wieder aus. Als er gefühlte fünf Minuten später erneut aus seinen Albträumen gerissen wurde, zeigte ihm der Winkel, in dem das graue Tageslicht durch die Jalousien fiel, dass er einen guten Teil des Vormittags verschlafen hatte. Regen pladderte gegen die Scheiben, und der stürmische Wind rüttelte an den maroden Fensterrahmen. Warum jemals wieder aufstehen, wo er sich doch gestern – er erinnerte sich leider erstaunlich klar daran – vor allen Kollegen lächerlich gemacht hatte?
Die ehrgeizige Emmeline Bellier hatte ihn mit ihrer blöden Reportage über einen Lebensmittelskandal übertrumpft, bei dem es um einen abgetrennten Finger in einer Thunfischdose ging. Kummer dieser Art war er ja gewohnt. Doch als sie dann seiner im Nachhinein betrachtet mehr als peinlichen Anmache widerstanden hatte, war er so zornig gewesen, dass er – war das wirklich passiert? – sie als pute beschimpft hatte. Und dann … Er wünschte, seine
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