Dornteufel: Thriller (German Edition)
Mobiltelefon hervor und rief im Konsulat an. Nach wenigen Augenblicken erfuhr sie, dass man keinen Wagen für sie geschickt hatte, und der Generalkonsul erwartete sie auch nicht zu einem Gespräch, sondern war irgendwo in Westbengalen unterwegs. Julia überlegte noch, wem sie von den jüngsten Entwicklungen erzählen sollte, als sie sah, wie der Mann mit dem Jackett hinter einer der Säulen hervortrat und sich ihr näherte. Sie steckte das Telefon ein und mischte sich unter eine Gruppe Hotelgäste, die in Richtung der Fahrstühle strebte. Der Mann sah sich suchend um. Hielt er etwa Ausschau nach seinem Kumpan?
Julia stieg als Letzte in einen der überfüllten Fahrstühle und fuhr darin nach oben. Die anderen Fahrstühle auf dieser Seite waren auf dem Weg nach unten, sodass der Mann ihr nicht so schnell folgen konnte. Und über die Treppen würde es ebenfalls länger dauern. Wussten ihre Verfolger, welches Zimmer sie hatte? An der Rezeption hatte sie wiederholt die Anweisung hinterlassen, niemandem ihre Zimmernummer mitzuteilen. Aber wenn sie hier im Hotel angerufen worden war, bestand die Möglichkeit, dass die Männer es trotzdem wussten. Meistens waren die Durchwahlziffern eines Hotelzimmers mit der Raumnummer identisch. Doch wenn die Kerle genau wussten, wo sie zu finden war, dann hätten sie sich die Geschichte mit der Limousine eigentlich schenken können? Obwohl … sie einfach vor dem Hotel einzusammeln und mit ihr wegzufahren erregte am wenigsten Aufsehen. Es war wohl einen Versuch wert gewesen, ihr diese plumpe Falle zu stellen.
Kaum hatte Julia den Fahrstuhl verlassen, rannte sie, so schnell sie konnte, durch den Flur zu ihrem Zimmer. In Windeseile öffnete sie die Tür und verriegelte sie hinter sich. Ihr Herz schlug so heftig, dass ihr beinahe schlecht war. Sie ließ ihre Tasche aufs Bett fallen, versuchte tief durchzuatmen und überlegte, was sie nun tun sollte.
Hinter ihr erklang plötzlich ein Scharren. Sie fuhr herum. Die Badezimmertür öffnete sich, und ein Mann erschien im Türrahmen. Sein Anblick kam ihr unwirklich vor: seine starre Miene, das erhitzte, rote Gesicht, das in einem seltsamen Kontrast zu dem rotblonden Haar stand, und die große Hand mit den Sommersprossen, die eine Pistole hielt.
»Gallagher, verdammt!«, stieß Julia hervor.
15. Kapitel
K OLKATA , I NDIEN
»Tut mir leid«, sagte er. »Das war’s, Miss Bruck.«
»Sie glauben nicht ernsthaft, dass Sie damit durchkommen, wenn Sie mich hier und jetzt erschießen, Gallagher?« Julia versuchte, ihr Entsetzen hinter Sarkasmus zu verbergen. »Die Leute vom Konsulat sind von dem Manöver hier informiert. Ich habe sie eben vom Empfang aus angerufen.«
»Das ist mir scheißegal!«, entgegnete er.
»Man wird den Schuss im ganzen Hotel hören. Sie glauben doch nicht, dass Sie dann noch abhauen können.«
»Lassen Sie das meine Sorge sein.«
»Warum wollen Sie mich ermorden?«
»Weil es sein muss.«
»Warum?«
»Sie hat es angeordnet, verdammt.« Gallagher schien ebenso panisch zu sein wie sie. Nichtsdestotrotz war er gefährlich.
»Wer ist sie?« Julia spielte auf Zeit, weil ihr nichts Besseres einfiel. Sie musste ihn hinhalten – egal, wie.
»Die Kalte. Noch nie von ihr gehört?« Er lachte auf. »Das hier fällt mir auch nicht leicht, aber das nützt Ihnen nichts.« Seine Hand begann zu zittern, und er musste sie mit der anderen stützen. Eine Schweißperle lief ihm die Stirn hinunter. Sie sah, wie er die Waffe mit dem Daumen entsicherte. Sein Zeigefinger am Abzug bebte. Das … war nicht gut.
»Sie sind … kein Mörder, Gallagher«, stammelte sie. Ihr Mund war trocken. Ihre Zunge fühlte sich an wie Klebeband, das sie nur mit größter Mühe vom Gaumen lösen konnte.
»Mir bleibt keine Wahl.«
Julia wollte nicht sterben! »Ich glaub, mir wird schlecht«, sagte sie, hielt sich den Bauch und beugte sich nach vorn.
Sie wankte zur Seite – und griff schnell nach der Teekanne, die neben den Resten ihres Frühstücks auf dem Tablett stand, das auf dem Bett lag. Das Porzellan fühlte sich noch sehr warm an. Blitzschnell warf Julia die halb volle Kanne gegen Gallaghers rechtes Handgelenk. Er schrie auf; die Hand mit der Pistole zuckte nach unten, und ein Schuss löste sich. Der Knall verursachte ein Singen in Julias Ohren. Sie packte das Tablett und schleuderte es samt Geschirr und Essensresten auf Gallagher. Er taumelte rückwärts und stieß gegen eine Kommode. Die Vase mit üppiger Blumendekoration, die darauf stand,
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