Dornteufel: Thriller (German Edition)
Aurelie , Moira und sie in den Tuilerien, Noël und sie unter dem Eiffelturm, Noël und Moira … Verdammt!
Sie hörte, wie Paul beschwörend auf sie einredete, aber sie konnte ihm nicht folgen. Sie starrte auf eine Stelle an ihrem Kühlschrank: Es fehlte ein Foto, das hier – ganz sicher, genau hier – befestigt gewesen war. Der Magnet hielt nichts mehr fest.
»Paul!«, stieß sie hervor. »Er war hier drinnen.«
»Was sagst du da?«
»Ich hab es gleich gespürt. Und jetzt fehlt ein Foto.«
»Wen meinst du?«
»Den Mörder von Madame Bertrand. Wen sonst?«
»Du musst dich täuschen. Wenn die Polizei sagt, bei dir wurde nicht eingebrochen, dann ist das so. Sie haben doch sicherlich auch dein Türschloss untersucht.«
»Wer sollte das Bild denn sonst weggenommen haben?«
»Vielleicht ist es heruntergefallen und liegt nun unter dem Kühlschrank. Oder deine Putzfrau hat es gefunden und weggeworfen.«
Sie ging auf die Knie, sah über den Fliesenboden und unter den Kühlschrank. Nichts. »Das Foto ist weg. Es war ein Bild von mir – im Bikini, beim Sonnen auf der Aurelie .«
17. Kapitel
H AMBURG , D EUTSCHLAND
Paul Renard traf um vierzehn Uhr fünfunddreißig mit einer Maschine der Air France in Hamburg ein. Hatte er etwas anderes als grauen Himmel und Nieselregen erwartet? Er war seit Jahren – ach was, seit Jahrzehnten – nicht mehr hier gewesen und erkannte den Hamburger Flughafen kaum wieder. Sein Bordcase hinter sich herrollend, schlängelte er sich durch die Menschentrauben zum Ausgang. Vor dem Flughafengebäude warteten cremefarbene und schwarze Taxis, die er jedoch nicht beachtete. Er hatte sich einen Mietwagen reserviert, denn für das, was er vorhatte, musste er sich frei bewegen können. Entsprechend seinem Kontostand war es ein kleines Auto.
Er hatte ein Zimmer in einem anonymen, neuen Hotel an der Ludwig-Erhard-Straße reserviert, unweit der Reeperbahn und des leeren, asphaltierten Platzes, auf dem die Hamburger ihr Volksfest feierten, das sie kurioserweise »Dom« nannten. Hier war er auch in der Nähe des Geschäftssitzes von Serail Almond, wohin Catherine Almond die anderen Vorstandsmitglieder und wohl auch die Mitarbeiter des Corporate Centers gerufen hatte. Krise, Krise, Krise!, fuhr es ihm durch den Kopf. Er hoffte, dass Rebecca recht behalten würde und ihm der Aufenthalt in Hamburg einen saftigen Brocken bescherte, bevor seine Kollegen überhaupt erst von der Sache Wind bekämen.
Nach dem Einchecken im Hotel fuhr er direkt zum Firmensitz. An einem Tag wie heute erschien ihm die neue Hafencity kühl und abweisend: Es gab weder Baum noch Strauch, dafür aber Böen der Windstärke acht bis neun, die durch die engen Häuserschluchten pfiffen. Er hatte sich telefonisch einen Termin bei der Pressesprecherin geben lassen, sodass er nach einer oberflächlichen Zugangskontrolle mit seinem gemieteten schwarzen Polo direkt hinunter in die Firmenparkgarage fahren konnte. Er unterdrückte ein Grinsen. Schon war er drin. Manchmal war das Leben einfach …
Bei der Pressesprecherin, die ihn zehn Minuten später am Empfang abholte, wo er nach dem Aushändigen eines Besucherausweises mit Argusaugen von einer Empfangsdame beobachtet worden war, biss er allerdings erst einmal auf Granit. Er erhielt nicht einmal die Bestätigung dafür, dass der Vorstand tatsächlich in Hamburg anwesend war. Auf die Worte »Krise« oder »Schwierigkeiten« reagierte sie mit einem Lächeln und demonstrativer Ungläubigkeit. Sie schaffte es, ihn sehr schnell mit einem Stapel Hochglanzbroschüren wieder aus dem Büro zu expedieren.
Rebecca, liebe Rebecca, hast du dich etwa getäuscht? , dachte Paul. Was, wenn Noël Almond seinen Urlaub auf der Aurelie zwar gecancelt, die Krisensitzung in Hamburg aber nur vorgeschoben hatte? Was, wenn Frau Wilson samt Kindern nur deshalb allein in Davos saß, weil ihr Ehemann keine Lust auf Familie, Ski und Schnee hatte?
Nachdem die Pressesprecherin ihn wieder hinunterbegleitet hatte, nickte Paul Renard der Dame am Empfang noch einmal freundlich zu und nahm dann den Fahrstuhl hinunter in die Parkgarage. Er war sich sicher, dass sie die Anzeige des Fahrstuhls im Auge behielt. Aus Erfahrung wusste er aber ebenso, dass die Sicherheitsbestimmungen der Unternehmen meistens irgendwelche Lücken aufwiesen. Entweder führte die Routine bei Security-Mitarbeitern zu Langeweile und Nachlässigkeit, oder sie begingen Fehler, weil sie unter Stress standen.
Er trat aus dem Fahrstuhl auf das
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