Dornteufel: Thriller (German Edition)
unterirdische Parkdeck. Ihm war bewusst, dass er sich unterhalb der Wasserlinie befand. Direkt neben ihm, nur durch eine Betonwand getrennt, floss eiskaltes, schmutziges Elbwasser. Man wurde hier ständig daran erinnert, wie mächtig der Strom war: Alles, was tiefer lag als eine bestimmte Hochwassermarke, war mit Flutschutztüren versehen, sodass man sich so beklommen fühlte wie in einem Atomschutzbunker. Draußen erinnerten höher gelegene Stege und Brücken für die Fußgänger daran, dass man hier mit dem Hochwasser lebte. Sein Ding wäre das nicht, dachte Paul.
Er schaute sich um: Sein Blick glitt über glänzende Wagendächer in Schwarz oder Grau, die sich eng nebeneinander befanden. Er schritt die Autoreihen ab, suchte nach einem gekennzeichneten Sonderparkplatz, vorzugsweise in unmittelbarer Nähe eines Fahrstuhls, oder nach Fahrzeugen, die den Firmenvorständen würdig wären. Nichts.
»Kann ich Ihnen helfen?«, ertönte plötzlich eine laute, barsche Stimme aus dem Nichts.
Paul zuckte zusammen und fuhr herum. Wie blöd von ihm! Er hatte nicht an die Kameras gedacht.
Zwei Männer in dunkelblauer Uniform näherten sich Paul Renard vom Treppenhaus her. Auf den ersten Blick hätte man sie für Polizisten halten können, da die Gesetzeshüter in Hamburg neuerdings genau diese Farbe trugen und nicht mehr wie früher grün-beige gekleidet waren. Doch es handelte sich um Wachleute, die nun direkt auf ihn zukamen. Einer der Männer war schon älter. Er watschelte schweren Schrittes voraus, da er einen Großteil seines Gewichts in seinem Bauch vor sich hertrug.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er nochmals in barschem Ton.
Paul schüttelte den Kopf. »Ich hatte eben einen Termin bei Serail Almond«, erklärte er auf Englisch. »Mit Frau Nicolai von der Presse.« Mit etwas Glück sagte dieser Name dem Wachmann etwas. Oder auch nicht … denn der Mann, der ihn angesprochen hatte, zuckte mit den Schultern.
»Wonach suchen Sie? Und wo ist Ihr Auto?«, verlangte sein junger Kollege, dessen Gesicht von Akne malträtiert war, in holprigem Englisch zu wissen.
Paul grinste und hob die Hände, als ob ihn jemand mit einer Pistole bedrohen würde – er wollte die Situation wie einen Scherz erscheinen lassen. »Alles ist okay. Mein Auto ist da drüben. Ich muss jetzt jedenfalls weg.«
Der Ältere fragte seinen Kollegen etwas auf Deutsch, ohne den Journalisten dabei aus den Augen zu lassen.
Hier sorgte man sich offenbar in ganz besonderer Weise um die Sicherheit, was vermuten ließ, dass der Vorstand tatsächlich im Hause war. Das hob Pauls Laune ein wenig. Er winkte den beiden Wachleuten noch mal lässig zu, die inzwischen heftig miteinander diskutierten, und marschierte an ihnen vorbei zu seinem Mietwagen, der in der Nähe der Fahrstühle parkte. Der dicke Wachmann verschwand schnaufend im Treppenhaus, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass tatsächlich eines der Fahrzeuge von Paul geöffnet wurde. Der junge Wachmann, offenbar angewiesen, die Parkgarage noch auf weitere unliebsame Personen hin abzusuchen, tat erst so, als schritte er die Reihen ab, und stellte sich dann nahe der Ausfahrt hin und zündete sich eine Zigarette an.
Na bitte, dachte Paul. Schlamperei, Langeweile oder Stress … irgendwas traf immer zu. Er schlenderte auf den jungen Mann zu. Der Uniformierte blickte ihn erst erschrocken, dann trotzig an. Rauchen war hier natürlich strengstens verboten, doch auch Paul verhielt sich nicht korrekt, denn er hätte längst in seinem Auto auf dem Weg nach draußen sein müssen.
»Ich glaube, ich hab eben meinen guten Kugelschreiber verloren«, sagte er und deutete auf den Fußboden, wo er ihn vorsichtshalber vorhin hatte fallen lassen. Er ging ein paar Schritte, hob ihn auf und schlenderte dann zurück zu dem jungen Wachmann. »Übrigens, Ihr Englisch ist exzellent!«
Der sah ihn fragend an, konnte aber nicht verbergen, dass ihn das Lob freute. Von seinem Kollegen bekam er offenbar nichts dergleichen zu hören. Der junge Mann hielt Paul seine Zigarettenschachtel hin. »Ich hasse diesen Job«, stieß er hervor.
Paul lehnte dankend ab. Er zog seine eigene, zerknitterte Schachtel hervor und ließ eine Zigarette in seine Hand gleiten.
»Sie sind nicht wirklich ein Wachmann, oder?«, fragte er in vertraulichem Tonfall.
»Ich studiere Geschichte und Germanistik«, antwortete der Uniformierte, zwischen Stolz und Verlegenheit schwankend. Er sog konzentriert an seiner Zigarette. »Hier sehen einen die
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