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Dostojewskijs Entwicklung als Schriftsteller: »Vom Toten Haus« zu den »Brüdern Karamasow« (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Dostojewskijs Entwicklung als Schriftsteller: »Vom Toten Haus« zu den »Brüdern Karamasow« (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Dostojewskijs Entwicklung als Schriftsteller: »Vom Toten Haus« zu den »Brüdern Karamasow« (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst-Jürgen Gerigk
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in allen drei Fällen wird der Leser oder Kinogänger zum Komplizen des Täters. 2005 schließlich lässt Woody Allen in Matchpoint seinen jungen Helden vor unseren Augen Dostojewskijs Verbrechen und Strafe lesen. Um nicht seine reiche Ehefrau zu verlieren, erschießt der Held seine mittellose schwangere Geliebte mit einem Gewehr. Die Situation am Tatort wird in verschobenen Analogien zu Raskolnikows Doppelmord veranschaulicht. Die nachforschende Londoner Polizei wird überlistet. Das mörderische Gedankenspiel steigt aus dem Unbehagen des finanziell ungesicherten jungen Mannes angesichts seiner Vernunftehe mit einer reichen Frau auf. Sowohl Billy Wilder als auch Woody Allen haben vom Verfahren des »delegierten Phantasierens« mehrfach Gebrauch gemacht. Aber nicht nur sie. Zweifellos hat Dostojewskij mit seinem populärsten Roman der Traumfabrik Hollywood ein maßgebendes poetologisches Muster geliefert.

Der Idiot
    Einstieg
Der Idiot. Roman in vier Teilen ( Idiot ). Entstanden September 1867 – Januar 1869; Erstdruck in »Der russische Bote« (Russkij vestnik) Januar – Dezember 1868, Kap. 8–12 des 4. Teils als Beilage zum »Russkij vestnik« Februar 1869; Erstausgabe Petersburg 1874. Verfasst in Genf, Vevey, Mailand, Florenz.
    Ort der Handlung des bizarr-sensationellen Romans sind Petersburg und Pawlowsk in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts. Der erste Teil beschreibt auf rund 200 Seiten einen einzigen Tag, den 27. November 1867. In den drei weiteren Teilen werden wenige Tage im Juni und zu Anfang Juli des folgenden Jahres geschildert. Der 26-jährige Fürst Lew Nikolajewitsch Myschkin, der an Epilepsie leidet, kehrt nach fast fünfjährigem Aufenthalt in einem Schweizer Sanatorium völlig mittellos nach Petersburg zurück, wo er sich sogleich in ein Netz von Intrigen um die bleichgesichtige und dunkeläugige Schönheit Anastasija Nastasja) Filippowna Baraschkowa verstrickt sieht, die von Afanasij Totzkij, ihrem Pflegevater, missbraucht wurde und mit diesem Erlebnis ihre natürliche Liebesfähigkeit verlor. Die Liebe zu Nastasja zwingt den hellblonden und lauteren Myschkin in eine magische Bindung an seinen dunkelhaarigen und triebhaften Rivalen Parfenij (= Parfjon) Semjonowitsch Rogoschin, einem reichen Kaufmannssohn. Die Faszination, die für Nastasja von der tiefgründigen Torheit des Fürsten ausgeht, der durch eine plötzliche Erbschaft zum Millionär wird, weckt in Rogoschin den Wunsch, seinen Nebenbuhler zu beseitigen. Der Mordanschlag misslingt, da Myschkin einen epileptischen Anfall erleidet und Rogoschin bei diesem Anblick von Entsetzen gepackt wird. Die Reaktion Myschkins auf die tiefe Zuneigung der stolzen und unverdorbenen Aglaja Iwanowna Jepantschina verrät seine tragische Unfähigkeit zu echtem Engagement. In Pawlowsk gibt Nastasja dem besorgten Fürsten, der ihr gleich am ersten Tag ihrer Bekannschaft einen Heiratsantrag machte, ihr diesmal unwiderruflich scheinendes Jawort, entflieht jedoch mit Rogoschin wenige Minuten vor der Trauung nach Petersburg. Nach dem ersten Teil wird der Leser von Dostojewskijs imaginärem Erzähler regelrecht im Stich gelassen und hat die Beziehungen zwischen den drei Hauptfiguren Myschkin, Nastasja und Rogoschin aus Andeutungen sowie Spiegelungen in den Äußerungen anderer Personen zu erschließen. Kalkulierte Aussparung des Wesentlichen wird zum Prinzip der Darstellung, und das auch in den Dialogen zwischen Rogoschin und Myschkin. Am Ende ersticht Rogoschin Nastasja im düsteren Haus seiner kindisch gewordenen Mutter im Bett und verbringt die Nacht danach in perverser Andacht neben der Leiche, die er mit einem amerikanischen Wachstuch zudeckt. Nach einsamer Suche findet Myschkin ins Mordgemach und streichelt seinem delirierenden Rivalen selbstvergessen das Haupt. Der Mord selbst wird nicht direkt geschildert, sondern muss aus den makabren Details rekonstruiert werden. Rogoschin wird für seine Tat zu 15 Jahren Zuchthaus in Sibirien verurteilt; Myschkin verliert den Verstand und wird ins Schweizer Sanatorium zurückgebracht. Dostojewskij gestaltet mit diesem Werk das Urthema des lächerlichen Helden, der sich durch distanzlose Lauterkeit das Verdikt seiner ratlosen Mitwelt zuzieht. Myschkins Weltverhalten ist mit landläufigen Motivationen, die Dostojewskij immer wieder hereinspielen lässt, nicht zu fassen und wird aus Quellen gespeist, die sich einer eindeutigen Bestimmung widersetzen.
    Zugriff
    Der erste Teil des Romans
    Hätte jemand noch gar keine

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