Double Cross. Falsches Spiel
neuen Sicherheitsbedrohung und empfiehlt, bis auf weiteres besondere Vorkehrungen zu treffen.
Außerdem mahnt er alle alliierten Offiziere zu besonderer Vorsicht bei weiblichen Annäherungsversuchen. Ihr Agent in London ist doch eine Frau, nicht wahr, Kapitän Vogel?«
»Darf ich das mal sehen?« fragte Vogel.
Schellenberg reichte ihm das Papier.
»Alfred Vicary?« sagte Hitler. »Wieso kommt mir der Name bekannt vor?«
»Vicary ist mit Churchill befreundet«, antwortete Canaris. »Er gehörte in den dreißiger Jahren zu Churchills Beratern. Churchill holte ihn in den MI5, als er im Mai 1940 Premierminister wurde.«
»Ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Hat er in den dreißiger Jahren nicht einen Haufen Mist über den Nationalsozialismus geschrieben?«
Und alles hat sich als wahr herausgestellt, dachte Canaris und sagte: »Ja, genau der ist es.«
»Und wer ist BB?«
»Basil Boothby. Er leitet eine Abteilung im MI5.«
Hitler ging langsam auf und ab. Die Stille in den Alpen hatte immer eine beruhigende Wirkung auf ihn. »Vogel, Schellenberg und Canaris sind also davon überzeugt. Nun gut, ich aber nicht.«
Er drehte sich um. »Ich sage Ihnen, sie werden in der Normandie angreifen. In der Normandie!«
»Eine interessante Wendung der Ereignisse, meinen Sie nicht auch, Herr Reichsführer?« Hitler sah zu, wie die Sonne im Westen unterging und die Gipfel der Alpen in ein dunkles Rosa tauchte. Alle bis auf Himmler waren gegangen. »Zuerst sagt mir Kapitän Vogel, daß es sich um einen künstlichen Hafen handele, und jetzt soll es ein Flugabwehrkomplex für Calais sein.«
»Hochinteressant, mein Führer. Ich habe da meine eigenen Theorien.«
Hitler wandte sich vom Fenster ab und sagte: »Dann lassen Sie hören, was Sie von Vogels Sinneswandel halten.«
»Theorie Nummer eins: Er sagt die Wahrheit. Er hat Informationen erhalten, auf die er vertraut, und glaubt wirklich, was er Ihnen heute gesagt hat.«
»Möglich. Weiter.«
»Nummer zwei: Die Informationen, die er Ihnen gerade vorgelegt hat, sind reine Fälschungen, und Vogel ist, wie sein Vorgesetzter Wilhelm Canaris, ein Verräter, der den Führer und Deutschland vernichten will.«
Hitler verschränkte die Arme und legte den Kopf zurück.
»Warum sollten sie uns in bezug auf die Invasion täuschen?«
»Wenn der Feind in Frankreich Erfolg hat und das deutsche Volk sieht, daß der Krieg verloren ist, werden sich Canaris und der übrige Abschaum der Schwarzen Kapelle gegen uns wenden und versuchen, uns zu vernichten. Wenn es den Verschwörern gelingt, die Macht an sich zu reißen, werden sie um Frieden winseln, und Deutschland wird so dastehen wie nach dem Ersten Weltkrieg - verstümmelt, schwach, als der Bettler Europas, der von den Brotkrumen lebt, die vom Tisch der Briten, Franzosen und Amerikaner fallen.« Himmler machte eine Pause. »Und der Bolschewisten, mein Führer.«
Hitlers Augen schienen Feuer zu fangen. Der bloße Gedanke, daß Deutsche unter russischer Herrschaft lebten, war ihm unerträglich. »Das werden wir niemals zulassen!« sagte er, dann musterte er Himmler genauer. »Ich sehe Ihnen an, daß Sie noch eine Theorie haben, Herr Reichsführer.«
»Ja, mein Führer.«
»Raus mit der Sprache.«
»Vogel glaubt, daß die Informationen, die er Ihnen vorlegt, stimmen. Nur hat er aus einer vergifteten Quelle getrunken.«
Hitlers Neugier schien geweckt. »Weiter, Herr Reichsführer.«
»Mein Führer, ich habe aus meiner Meinung über Admiral Canaris nie ein Hehl gemacht. Ich halte ihn für einen Verräter.
Ich weiß, daß er Kontakt zu britischen und amerikanischen Agenten gehabt hat. Wenn meine Befürchtungen, ihn betreffend, begründet sind, müßten wir dann nicht folgerichtig davon ausgehen, daß er die deutschen Agentennetze in Großbritannien verraten hat? Was, wenn Kapitän Vogel die Wahrheit herausbekommen hat und Admiral Canaris ihn zum Schweigen bringt, um sich selbst zu schützen? Vogel hat es bei unserer letzten Besprechung ja selbst gesagt - wenn Mulberry ein künstlicher Hafen ist, dann sind alle Informationen, die auf Calais als Hauptlandungspunkt hinweisen, falsch. Ein Täuschungsmanöver, mein Führer.«
Hitler ging wieder ruhelos auf und ab. »Brillant wie immer, Herr Reichsführer. Sie sind der einzige, auf den ich mich verlassen kann.«
»Vergessen wir nicht, mein Führer - eine Lüge ist die Wahrheit, nur seitenverkehrt. Halten wir die Lüge vor den Spiegel, blickt uns die Wahrheit entgegen.«
»Sie haben einen
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