Down Under - Reise durch Australien
Kamelritt? So richtig über Dünen und am Strand entlang?«
»Au ja!«, entfuhr es Sandy. »Na klar! Wo gibt es denn hier Kamele?«
Paul lächelte. »Eine Fahrtstunde von hier ist eine der größten Kamelfarmen Australiens. Ich kenne den Sohn des Besitzers. Balan und sein Vater verdienen ihren Lebensunterhalt mit den Tieren. Es gibt bei uns sogar Kamelrennen, zu denen reiche Araber extra ihre wertvollen Tiere einfliegen lassen, um sie gegen die australischen antreten zu lassen. Aber auf Wettrennen stehe ich nicht so. Viel schöner ist es, auf einem Kamel durch die Einsamkeit zu reiten.«
»Wir sind dabei«, sagte ich begeistert. »Aber wir müssen heute noch arbeiten.«
Allerdings sollte das ein Problem werden. Wir wollten die Leute im Nippon nicht enttäuschen. Was Paul uns aber nicht gesagt hatte, war, dass wir in aller Herrgottsfrühe zur Farm aufbrechen mussten. Denn der Ausritt war für sieben Uhr angesetzt, um den Sonnenaufgang auf schaukelnden Kamelrücken genießen zu können.
Bis vier Uhr morgens bedienten wir Gäste, halfen anschließend noch beim Aufräumen und verabschieden mussten wir uns ja auch noch ausgiebig. Um sechs Uhr sollte Balan uns mit seinem Wagen vom Hostel abholen. Wir machten uns etwas frisch und zogen uns blitzschnell um. Dann war es halb sechs und Sandy eingeschlafen.
Als Paul und Balan ankamen, bekam ich sie nicht mehr wach. Mehr als einen Spaltbreit kriegte sie ihre Augen nicht auf, murmelte nur: »Ich muss schlafen«, und drehte sich wieder um. Dabei hatte sie sich so auf den Ausritt gefreut. Mir selbst ging es nicht besser, aber wann wäre ich danach jemals wieder zu einem Kamelritt gekommen? Also riss ich mich zusammen und die Augen auf und stieg in den Wagen. Sofort war ich wieder knallwach.
»Meine Güte, was stinkt denn hier so?«
Balan wollte gerade den Motor anlassen, drehte sich dann aber lachend zu mir um. Erst jetzt sah ich, dass er ein verdammt gut aussehender Mann Anfang zwanzig war, mit leuchtend blauen Augen, die selbst bei der blassen Innenbeleuchtung blitzten.
»Schau mal nach hinten!«, sagte er gutmütig. »So riechen Kamele nun mal. Wir haben immer irgendwelches Zeugs für unsere Tiere dabei. Und was einmal mit einem Kamel in Berührung gekommen ist, das riecht ein Weilchen.«
Ich drehte mich um und erblickte auf der Ladefläche des Jeeps Decken, Zaumzeug und allerhand undefinierbares Zubehör.
»Entschuldige«, sagte ich und wandte mich wieder um, sah Balans Augen jetzt aber nur im Rückspiegel. »Wissen deine Kamele, dass sie so riechen?«
»Warte mal ab, was sie zu dir sagen!«, lachte er, ließ den Wagen an und fuhr los.
Sobald wir aus Broome heraus waren, bog Balan in einen Seitenweg ab. Es herrschte noch stockfinstere Nacht, und die Scheinwerfer des Jeeps schnitten wie Lichtmesser ins Dunkel. Wir befuhren einen dirt track, einen breiten, mit Schlaglöchern und Rinnen durchsetzten Weg, der Stadtlimousinen auf der Stelle den Garaus gemacht hätte. Das Schaukeln und Stoßen hatte aber den Vorteil, mich wach zu halten. Nach einer knappen Stunde erreichten wir im ersten Morgengrauen die Kamelfarm.
Nachdem wir ausgestiegen waren und sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, bekam ich eine Ahnung von den Ausmaßen der Farm. Er machte eine weit ausholende Geste.
»Wir könnten eine ganze Weile reiten, um das Gelände zu erkunden. Aber ich nehme euch mit zu den schönsten Stellen. Und jetzt sucht euch eine von meinen Schönheiten aus!«
Balan ging voraus. Wie ein Bild aus Tausendundeiner Nacht schälten sich die markanten Umrisse einiger Kamele aus dem Dunkel. Der durchdringende Geruch der Tiere lag über der Umgebung, und ich fühlte mich in dem Moment weniger in Australien, vielmehr hatte ich die Illusion, in irgendeiner Oase in der Sahara zu sein.
Ich hatte keine Ahnung, nach welchen Gesichtspunkten man sich solch ein Wüstenschiff aussucht. Balan nahm uns das Problem ab. Er sattelte ein großes, stattliches Tier, das für meine Begriffe ein wenig zu unruhig schien. Als er mir und Paul bedeutete aufzusteigen, brüllte und röhrte es in voller Lautstärke seinen Unmut in die Nacht.
»Der mag mich nicht!«, jammerte Paul.
»Ganz im Gegenteil!«, lachte Balan. »Das ist Ausdruck großer Liebe!«
Wir dachten uns unseren Teil, und als wir endlich fest im Sattel saßen und sich Nigel – so hieß unser beigefarbener vierbeiniger Freund – in Bewegung gesetzt hatte, versuchte ich, mich möglichst leicht zu machen, um ihn nicht zu
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