Downtown Blues
für Beweise?«
»Der Fall ist abgeschlossen.« In Krantz’ sonst so undurchdringlicher Miene zeigt sich Verärgerung. Bevor sie sich jedoch eine weitere Blöße gibt, fängt sie sich wieder. »Danke für Ihre Unterstützung, CF-Agent«, sagt sie glatt. »Komm, Ranson, wir gehen.«
Und ich? Ich stehe auf dem gefliesten Boden der DWNTN-Patho und denke: Scheiße, jetzt passiert es schon wieder. Zum zweiten Mal wollen sie mir einen Fall entziehen, der kurz vor der Aufklärung steht. Einen Fall, bei dem es wieder um den Warring-Clan geht. Muss ich mir das gefallen lassen? Diesmal spiele ich nicht nach ihren Regeln! Sollen sie mich doch suspendieren, bedrohen oder aus C-Force werfen. Nein, diesmal gebe ich nicht auf!
Entschlossen, ihn zur Rede zu stellen, stürme ich in Brannigans Büro. Er ist nicht da. Nur ein blasser Assistent, der bei meinem Eintreten zusammenzuckt. Hat er in fremden Files gestöbert? Was soll’s. Brannigans Bürosicherheit ist nicht mein Problem. Schon eher das Verschwinden des Bezirksstaatsanwalts: Er ist weder in den beiden Citys noch in New Frontier. »Der DA hat sich mit seinem engsten Stab zur Bewertung der Lage zurückgezogen.« Kann vieles bedeuten, hilft mir aber nicht weiter, verdammt. Soll ich etwa zu Karlson kriechen?
Nein, zu Morales gehen. Sie meldet sich auf meinen SCom-Ruf und schlägt einen Treffpunkt vor – ganz inoffiziell. »Ich bin in zwei Stunden im Red Door. Kommen Sie zufällig vorbei.«
Und jetzt sitze ich dem Lieutenant ganz zufällig gegenüber und trinke starken Cop-Kaffee. »Erst sagt Detective Krantz, im Fall der Capistrano handle es sich um einen Trittbrettmord, und dann ist dieser Santero plötzlich der Downtown-Schlitzer und alle sind glücklich«, fasse ich zusammen.
»Und Sie, was sind Sie?«
»Richtig sauer«, sage ich. »Das passt doch vorn und hinten nicht zusammen. Selbst wenn Santero seinen Boss umgebracht hat – was ich nicht glaube –, läuft mindestens noch ein Killer frei rum.«
»Da stimme ich Ihnen zu. Und deshalb möchte ich, dass Sie dranbleiben.«
Ich starre sie völlig perplex an. Habe ich mich verhört? Nein, offensichtlich nicht.
»Finden Sie raus, was gespielt wird – ganz inoffiziell.«
Ja, klar, schon verstanden. Keine Rückendeckung von der Zentrale. Wenn ich Scheiße bau, muss ich die Konsequenzen allein tragen. Will ich das wirklich? Auf einmal weiß ich, was Brubaker dazu gebracht hat, wieder in den alten Fall einzusteigen. Es ist der pure Jagdinstinkt. »Ich mach’s.«
»Sehr gut.« Sie langt über den Tisch und schüttelt mir die Hand, etwas kratzt an meiner Handfläche und ich umschließe es mit der Faust. »Viel Glück, Donovan.« Und mit einem schmalen Lächeln: »Diese Unterhaltung hat nie stattgefunden.« Sie steht auf und geht.
Ich öffne meine Hand, um zu sehen, was sie mir gegeben hat. Auf dem Tisch liegt ein externer ROM-Speicher. Ich lese ihn ein. »Erinnere dich an das erste Opfer und komm um 02.00 zum Treffpunkt.« Keine Signatur, keine weiteren Angaben, nur dieser geheimnisvolle Satz. Doch ich kenne den Absender und ich kenne den Ort. Meine Ex-Partnerin, City Force-Agent DelMonico, will mich heute Nacht in Hillside treffen.
Ich weiß nicht mehr, wie ich die letzten Stunden überstanden habe. Die Spannung und die Ungewissheit. Doch jetzt bin ich da und warte auf Del, warte auf Antworten. Der Gestank ist in den vergangenen Monaten noch unbeschreiblicher geworden, er dringt durch die Schutzmaske, dringt durch meine Haut. Dampf kommt aus dem Boden, und in den blaugrün phosphoreszierenden Lachen spiegelt sich das Licht meiner Stablampe. Irgendwo ist das knirschende Geräusch sich verschiebender Fässer zu hören, oder sind es Schritte? Mir wird bewusst, was für ein gutes Ziel ich abgebe, und ich schalte die Lampe aus. Ich setze mich auf eine morsche Holzpalette und warte. Selbst so bewegungslos wird jeder Atemzug zur Qual. Wird sie kommen? Vielleicht ist es nur einer ihrer Tricks. Wenn sie mich nur lange genug hier warten lässt, werde ich wahrscheinlich von den Ausdünstungen bewusstlos und irgendwann sterbe ich. Ein Problem weniger, wenn die neugierige Donovan nicht mehr da ist.
»Du bist weit gekommen, Partner.«
Ich springe auf und lasse dabei die Lampe zu Boden fallen. Angestrengt versuche ich in der Dunkelheit Dels Umrisse auszumachen und taste gleichzeitig nach der blöden Lampe. Warum habe ich nicht daran gedacht, den Lichtverstärker aufzusetzen? Endlich habe ich die Lampe gefunden und lasse den
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