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Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
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verdrängt, die die Träume ausradiert hat. Endgültig.

Mörderischer Sommer

    I’m only happy when it rains.
    My only comfort is the night gone black …
    I’m riding high upon a deep depression
    I’m only happy when it rains.
    – Garbage

    Befragung der nächsten lebenden Verwandten von Mord 3 stand auf dem Plan. Früh am Morgen habe ich Chan abgeholt und nach Shapiro geschleppt. Er fluchte die ganze Strecke, weil ich ihn – Zitat – aus den Armen seiner neuesten Eroberung gerissen hatte. »Der sah so aus, als wäre er nachher auch noch da«, hab ich sein Gejammer abgewürgt.
    Die vergangene Nacht, die Endstufe, Stephen Brubaker und die Frau, die mich Hure nennt, all das habe ich aus meinem Kopf verdrängt. Da draußen läuft ein Killer durch die Straßen, und es ist meiner und Chans Job, ihn zu stoppen. Nur das ist jetzt wichtig. Um diesen sengenden Schmerz, der mir den Atem nimmt, kümmere ich mich ein andermal.
    Shapiro. Hier lebten wahrscheinlich auch die Donovans, ehe StarCraft sie zu meinen Ersatzeltern machte. Was aus der Luft wie eine Ansammlung umgestülpter Happy-Food-Container aussieht, wird zu einer Reihe Zwei-Raum-Häuser, Standardunterkunft der New Frontier-Wartung. Ich lande den City Jet mitten auf dem quadratischen Kunstrasen. Kaum habe ich den Antrieb runtergefahren, nähert sich das goldene Elipsoid eines Schutzengels und umkreist schwerfällig den Saab-Aerospace. Die Sonde scannt die Kennzeichnung des Fahrzeugs und gibt sie an die Leitstelle weiter. Was unerwünschte Besucher angeht, sind sie in Shapiro fast so paranoid wie in der Uptown. Schon verrückt.
    »Erklären Sie den Grund Ihres Halts vor Haus 5567 Maiglöckchenallee«, schnarrt es aus der Membran an der Unterseite des Schutzengels, »City Force-Agent Donovan.«
    »Befragung eines in Haus 5567 Maiglöckchenallee gemeldeten Subjekts«, antworte ich laut und betont deutlich. Schutzengel sind dumm, sie haben keine besonders ausgereifte IQ-Ware. »Befragung im Fall …«, ich ruf den File schnell auf meinem SCom auf, »Nummer 44979003 – Mord 3. Name des Subjekts: LaVerne Dabbish, weiblich.« Die Sonde verdaut die Angaben eine Weile und schwirrt dann ab. Soll wohl bedeuten, dass wie freie Bahn haben.
    LaVern Dabbish, die Mutter des dritten Opfers, ist ein Lara Croft-Klon mit chirurgisch verlängerten Oberschenkelknochen, Rippenbogen-OP, Face-und Body-Implantaten von »ShapeU«. Die schwarzen Haare stehen wie eine Bürste von ihrem Kopf ab, spröde und glanzlos von zu viel Chemie, und ihren magersüchtigen Körper bedeckt ein zebrafarbenes Catsuit. Jetzt ist sie Ende vierzig und die Einlagen verlieren die Form. Ich merke, wie ich auf ihre verschobenen Backenknochenimplantate starre, auf das eingefallene Profil mit der vom Koks weggeätzten Nasenscheidewand.
    Chan und ich stehen in dem ersten der zwei Zimmer und staunen. In jeder Ecke hängt eine Nachbildung des Blutenden Herzen Leos. Das sanfte rote Pulsieren übt eine hypnotische Wirkung auf mich aus. Ich laufe planlos umher, nur um den Bann abzuschütteln. Ziehe Schübe auf und spähe in Spinde. Teure Designer-Kleider liegen achtlos zusammengeknüllt am Boden, definitiv nicht LaVerns Stil, aber auch nicht der eines vierzehnjährigen Junkies. Ich klaube ein paar hauchzarte Carissa-Dido-Hemdchen auf und hänge sie an die Haken im Spind. Ich fange Chans verwunderte Blicke auf. Was mache ich hier eigentlich? Eine Zeugin befragen? Die steht gerade vor einem angelaufenen Spiegel und ist damit beschäftigt, ihre Haare in Form zu drücken.
    »Wann ist Celia verschwunden?«, will ich wissen. »Und warum hat sie ihre ganzen Sachen hier gelassen?«
    Sie reagiert nicht auf meine Fragen. »All die Mühe, all das Geld, alles umsonst«, jammert sie. »Mein hübsches Baby haben sie mir genommen.« Letzteres scheint sie eher der Form halber anzuhängen.
    »All das Geld?«, frage ich erstaunt.
    »Für Starmaker.« Sie bemerkt meinen entgeisterten Blick und missdeutet ihn. »Ich wollte, dass mein Baby eine Chance hat.«
    »Starmaker?«, wiederhole ich.
    »Die Spermadiebe«, erklärt Chan, und sein breites Grinsen ist hier völlig unangemessen. Ich gebe ihm einen festen Knuff in die Seite und beschließe, ihn später nach den Einzelheiten zu fragen.
    Aber LaVern Dabbish hat seine Bemerkung nicht gehört. Sie lamentiert über ihre verlorene Zukunft. »… sagte ich ihm, dann kommt sie schon wieder in Ordnung.«
    »Was?« Ich habe auf einmal den Anschluss verloren.
    »Ich sagte dem Beauftragten, dass

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