Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre
Blocks von hier«, sagte ich und zeigte den Hügel hinunter auf das Krankenhaus. »Das nennen Sie prompt?« Hank zuckte die Achseln. »Wie kommt es, dass Sie für die zwei Blocks fünfzehn Minuten gebraucht haben?«
»Ich war mitten bei einer sehr wichtigen E-Mail«, sagte er. »Ein Kettenbrief, bloß per E-Mail. Durchbrich die Kette, und du hast sieben Jahre Pech.« Er betrachtete die Leiche in dem leeren Schwimmbecken. »Vielleicht hat der Kerl die Kette unterbrochen.«
»Ich würde sagen, ein Messer in der Brust steht eher für sieben Sekunden Pech«, meinte ich.
»Ich würde sagen, es ist schlechtes Karma«, sagte Emert. »Wenn jemand bei einer Schießerei auf der Straße aus einem Auto einen Querschläger abbekommt, ist das Pech. Wenn jemand einen Dolch in die linke Herzkammer gestoßen bekommt, ist das wahrscheinlich kein Zufall.«
»Dann beantworten Sie mir Folgendes«, sagte Hank. »Wie kommt es, dass Novaks Leiche im Eis eingefroren war, der Typ da aber zu Boden gesunken ist? Und sagen Sie jetzt nicht, er hatte eine Kettensäge als Anker. Die Kettensäge war ein postmortaler dekorativer Akzent, falls die Geschichte so stimmt, wie ich sie gehört habe.« Er grinste mich an.
»Stimmt«, sagte Emert, »aufs Wort. Doc, haben Sie eine wissenschaftliche Erklärung?«
»Vielleicht hat er Steine in den Taschen«, sagte ich. »Oder dichtere Knochen. Novak war schließlich dreiundneunzig. Seine Knochen waren wahrscheinlich ziemlich porös. Aber manche Menschen treiben, und manche sinken. Ich habe einen Freund, der auf dem Wasser hüpft wie ein Korken, ich dagegen bin wie ein Hai – wenn ich nicht schwimme, sinke ich sofort zu Boden.«
Hank hielt den Stab des Geigerzählers über den Rand des Swimmingpools; zuerst forschte er nach Gammastrahlen, dann nach Beta- und dann nach Alphastrahlen. Das Instrument stieß nur ein langsames, tröstliches Ticken aus, das, wie ich inzwischen wusste, die normale Umgebungsstrahlung anzeigte. Fürs Erste beruhigt, wagte er sich mit Hilfe einer Leiter von einem Feuerwehrfahrzeug in den Pool hinunter und inspizierte die Leiche aus der Nähe. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass sie keine Gefahr darstellte, kletterte er wieder heraus.
Der Nächste, der über die Leiter in den Pool stieg, war Emert, der lange genug Coroner war, um amtlich festzustellen, dass der Mann, der mit einem Messer im Herzen tage- oder wochenlang unter Wasser gelegen hatte, tatsächlich tot war. Ich konnte nicht anders, ich musste an die Szene in dem Musical Der Zauberer von Oz denken, wo der Coroner in Munchkinland erklärt, die Hexe, die von Dorothys Haus plattgedrückt worden war, sei »nicht bloß tot«, sondern »wirklich und wahrhaftig und ganz sicher mausetot«.
Emert hatte Art Bohanan angerufen und ihn gefragt, ob Art noch an einem weiteren Beweisstück nach Fingerabdrücken suchen könne, und Art hatte sich dazu bereit erklärt. Mit einer Zange, die er aus einem Beweismittelsicherungs-Set genommen hatte, zog Emert dem Mann behutsam das Messer aus der Brust, ohne den Griff zu berühren. Er steckte es in einen Asservatenbeutel, klebte ein Etikett drauf und reichte es zu mir hoch. Selbst durch die Plastiktüte und trotz der Schmiere aus Körperflüssigkeiten und Wasser auf der Klinge glaubte ich die charakteristischen Wirbel von Damaszenerstahl zu erkennen. »Sieht aus wie das fehlende Messer aus Novaks Vitrine«, sagte ich.
»Ja«, sagte er. »Ich wette ein Monatsgehalt darauf.«
Eine Nebelwolke hüllte den Messergriff ein. Art drückte noch zweimal auf die Sprühflasche. Ich wischte mir einige verirrte Tröpfchen aus dem Gesicht und sagte: »Und warum machst du es nass?«
»Die Feuchtigkeit trägt dazu bei, dass der Sekundenkleber sich besser mit dem Fett von den Fingerabdrücken verbindet«, sagte er.
»Das weiß ich doch«, sagte ich.
Er legte das Messer in die durchsichtige Kammer eines kastenartigen Apparats aus Glas und Metall – den »Bohanan Apparat«, wie sein offizieller Name lautete, unter dem er patentiert war – und schaltete die Heizspirale an. Als diese den Kleber verdampfte, wirbelten weiße Dämpfe in die Kammer und entzogen das Messer unserem Blick. Nach mehreren Minuten schaltete Art einen Ventilator ein, der den Dampf aus der Glaskammer saugte und durch eine Abzugshaube aus dem kriminaltechnischen Labor der Polizei von Knoxville hinausbeförderte.
Art fasste das Messer an der Klinge und nahm es aus der dampfenden Kammer, um es unter eine
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