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Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Titel: Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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Gerade als ich überzeugt war, ich würde gleich sterben, wurde mir der Stoff aus dem Mund gerissen, und ich konnte wieder atmen und sehen. »Fertig« , hörte ich Mary Alice’ Mutter sagen. »Fertig. Herr, vergib uns, wir sind fertig. « Ich spürte, wie mein Bauch krampfte, und bei jedem Krampf fühlte es sich so an, als würde ich tief in mir Glassplitter oder Eisenspäne zusammenpressen. »Ich muss die Lappen hier in dich reinstopfen« , sagte sie. »Die fangen das Blut auf. Warte bis morgen Abend, bevor du sie rausholst. « Ich keuchte, als sie wieder in mich hineinstieß, doch diesmal war der Schmerz dumpfer.
    Mary Alice ließ meine Hand los und schwang das Bein über mich, sodass sie wieder neben mir stand. Sie drückte mir die Schulter. »Das hast du gut gemacht« , sagte sie. »Jetzt wird alles gut. « Ich schüttelte den Kopf und weinte.
    Ich hörte Wasser ins Waschbecken laufen, und einen Augenblick später trat Mary Alice’ Mutter mit zwei feuchten Lappen in der Hand wieder in die Kabine. Einen reichte sie Mary Alice, die mir damit das Gesicht abwischte, mit dem anderen bückte sie sich und wischte mir die blutverschmierten Beine und den Po ab.
    Plötzlich klopfte es mehrmals an der Tür. Ich schrie beinahe auf vor Angst, und die beiden schwarzen Frauen tauschten rasche, ängstliche Blicke. Wieder klopfte es, lauter jetzt. »Mary Alice? Miss Beatrice?«
    »Ja, was ist?« , fragte Mary Alice.
    »Seid ihr fertig da drin? Seid ihr so weit, dass man euch fotografieren kann?«
    Ich wollte rufen – keine Ahnung, was ich sagen wollte –, doch zum Glück legte Mary Alice mir eine Hand auf den Mund. »Gleich« , sagte sie. »Eine Minute noch. « Sie zog mich hoch. »Spritz dir ein bisschen Wasser ins Gesicht, kämm dir die Haare und trag den Lippenstift hier auf« , sagte sie. »Dann gehen wir raus und tun so, als wäre alles in Ordnung. «
    Benommen – unter brennenden Krämpfen und mit brummendem Kopf- wusch ich mir das Gesicht und trug Lippenstift auf. Dann nahm Mary Alice mich bei der Hand und führte mich aus der Toilette. Es war, als würde ich in einem Theaterstück die Bühne betretent: Vor uns schimmerte in einem Lichtkreis ein Kartentisch, und als Mary Alice und ich näher traten, sahen uns Dutzende Gesichter dabei zu. Die meisten Gesichter waren schwarz, aber es waren auch einige weiße darunter, und ich erkannte die Uniformen und schwarzen Armbinden der Militärpolizei.
    Auf dem Tisch lagen ein paar Bücher, eines war aufgeschlagen, sein Rücken gebrochen. Es war die Bibel, und sie war bei der Geschichte von Adam und Eva geöffnet. Westcott trat auf uns zu und schob uns auf zwei Stühle, die über Eck am Tisch standen. »Meine Damen, Sie sehen wunderbar aus« , sagte er, obwohl er mich, wie es mir schien, ein wenig besorgt näher in Augenschein nahm. »Beugen Sie sich über das Buch, Beatrice. Sie auch, Mary Alice, und zeigen Sie auf ein Wort, als wollten Sie Beatrice fragen, was das Wort heißt. «
    Mary Alice’ Zeigefinger – blauschwarze Haut mit rosafarbenem, perlmuttartigem Fingernagel – zog eine zittrige Linie über eine Seite und kam unter einem Vers zum Stillstand. »Wie lautet dieser Bibelvers hier, Miss Beatrice?« Ihre Stimme war die Parodie eines Singsangs – wie ein Nigger in einem Hollywoodfilm –, und ich überlegte, ob sie mich verhöhnte oder Wèstcott oder die isolierte Stadt und die Nation, in der wir lebten und arbeiteten.
    Ich schaute auf die Stelle und las den Vers laut vor: »›Aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen; denn welches Tages du davon isst, wirst du des Todes sterben.‹«
    »Amen« , sagte Mary Alice, als der Blitz mich blendete.
    Die Militärpolizisten – die offensichtlich der Busfahrer geschickt hatte, damit die weiße Frau nicht von sexbesessenen Schwarzen belästigt wurde – blieben, bis Westcott seine Kamera und seine Scheinwerfer einpackte und wieder in seinen Jeep lud. Mary Alice und ich waren sitzen geblieben, während die Ausrüstung verstaut wurde. Als alles verladen war, stand ich auf, um zu gehen, und dabei merkte ich, dass mein Kleid an dem metallenen Klappstuhl klebte. Ich schaute hinunter und sah, dass die ganze Sitzfläche mit Blut verpappt war. Mary Alice warf einen Blick auf den Stuhl, trat rasch neben mich und legte mir einen Arm um die Hüfte. Mit der freien Hand winkte sie ihrer Mutter, die näher kam und sich dicht hinter mich stellte. So gingen wir, die zwei schwarzen Frauen und ich, aus dem

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