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Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Titel: Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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Colored Town fuhr. Ich würde mir den Zutritt erschleichen, indem ich für die Kameras posierte.
    Als Calutron-Postergirl hatte ich mich mit dem Fotografen angefreundet, Ed Westcott. Daran war nichts Unschickliches, nicht mit ihm, doch immer wenn er in meinem Gebäude Fotos machte, schaute er bei mir vorbei, und wir plauderten ein Weilchen. Und als ich herausfand, dass Mary und ihre Mutter mir in meiner misslichen Lage helfen konnten, kam mir eine Idee. Westcott war immer auf Bilder aus dem richtigen Leben aus – Kinder, die an einer Badestelle spielten, Jungpfadfinder, die lernten, wie man ein Lagerfeuer macht, Autos, die im Schlamm stecken blieben. Einmal fotografierte er, wie Santa Claus von Wachleuchten gefilzt wurde. Gütiger Himmel, dachten wir, wenn sogar Santa Claus auf Schmuggelgut untersucht wird, können wir Normalsterblichen uns wohl kaum beschweren.
    Westcott war berühmt, in gewisser Hinsicht. Als der Fotograf des Projekts konnte er kommen und gehen, wie es ihm beliebte, und er hat von Anfang an die ganze Stadt und die Anlagen durchstreift. Die meisten Wachleute winkten ihn an Kontrollpunkten nur lächelnd durch, einige hielten ihn gerade lange genug auf, um sich in Pose zu stellen und ihn zu fragen, ob er ein Bild von ihnen machen würde. Gelegentlich tat er das, was ihm ziemlich viel Wohlwollen eintrug.
    Wie auch immer, ich schlug Westcott vor, ein Foto zu machen, wie ich Mary Alice und einigen anderen Mädchen in Colored Town das Lesen beibrachte. »Ich finde, das wäre ein schönes Bürgerprojekt« , sagte ich. »Wenn Sie ein Foto machen und die Zeitung es abdruckt, können wir vielleicht ein bisschen Aufmerksamkeit erregen und Freiwillige gewinnen. « Die Idee gefiel ihm, und wir verabredeten uns an der Kulturhalle der Schwarzen. Als der Busfahrer mich also fragte, wieso eine weiße Frau an einem Samstagabend nach Colored Town fuhr, erklärte ich ihm, Mr. Westcott werde kommen und ein Foto machen, wie ich den farbigen Mädchen das Lesen beibrachte. Das schien ein hinreichender Grund zu sein.
    Colored Town wurde auf der Karte offiziell als das »Barackenlager der Farbigen« bezeichnet. Bei den Baracken handelte es sich um schäbige Sperrholzhütten in Fertigbauweise, fünf mal fünf Meter groß. Sie wurden zu Tausenden herbeigeschafft und mit einem Abstand von allenfalls drei Metern auf engstem Platz zusammengepfercht. Es gab auch eine Barackensiedlung für Weiße, aber dort waren die Hütten besser. Die Baracken der Farbigen hatten nicht einmal richtige Fenster, nur Öffnungen mit Fliegengitter und Sperrholzläden. Wenn die Leute drinnen Tageslicht haben wollten, mussten sie die Läden aufklappen und festhaken. Bei gutem Wetter mochte das ja noch angehen, aber wenn es kalt war, hatten sie die Wahl zwischen warm oder hell, und selbst wenn sie sich für die Wärme entschieden, war es nicht besonders warm: Zwar hatte jede Baracke mitten im Raum einen gusseisernen Kohleofen, doch die Kohlerationen waren so knapp, dass die Leute in den Baracken im Winter jämmerlich froren. Und dann waren die Barackenlager der Farbigen in Baracken für Männer und Baracken für Frauen aufgeteilt, je vier Personen pro Hütte. Schwarze Ehepaare wurden getrennt, damit die Armee in diesen schäbigen kleinen Hütten jeweils vier Personen unterbringen konnte.
    Colored Town hatte auch seine eigene Kulturhalle, und hier war es genauso – sie war billiger und mieser als die der Weißen. Keine Tischtennisplatten und Billardtische, kein Klavier, nur ein paar Tische und Stühle. Trotzdem war die Bude an dem Abend, als Mary Alice und ich sie betraten, gerammelt voll. An einigen Tischen saßen Paare und spielten Bridge, an anderen Gruppen von Männern mit Pokerchips. An einem Ende des Raums hatte jemand ein Radio angestellt, und ein paar Paare tanzten zur Musik den Jitterbug. In dem Augenblick, als ich durch die Tür trat, erstarb aller Lärm, und sämtliche Köpfe drehten sich in unsere Richtung. Tausende von Schwarzen in einem schäbigen Getto zusammengepfercht, und herein spaziert eine lilienweiße Frau.
    »Du bist am falschen Ort, weißes Mädchen« , sagte ein Mann gleich hinter der Tür, doch Mary Alice nannte ihn beim Namen und sagte, er solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. »Sie ist in Ordnung« , sagte Mary Alice. »Sie ist mit mir hier. « Sie ging voraus in eine hintere Ecke des Raums, wo ein Mann und eine Frau mittleren Alters auf Stühlen saßen, die im Winkel zueinander standen. »Mama, das hier ist

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