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Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Titel: Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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damit, auf Zeiger zu starren und Schalter zu drehen. Andere haben fünfzig oder sechzig Stunden die Woche Beton gegossen, Erdreich planiert, Rohre verlegt oder Schweißarbeiten ausgeführt. Wenn wir nicht gearbeitet haben, haben wir Schlange gestanden: Es gab Schlangen, um bei Arbeitsantritt zu stempeln, und Schlangen, um bei Schichtende zu stempeln. Schlangen, um Lebensmittel einzukaufen – die dann manchmal ausgingen, bevor man an der Reihe war. Schlangen, um Zigaretten zu kaufen. Die Leute sahen eine Schlange und stellten sich an, auch wenn sie manchmal gar nicht wussten, wofür die Schlange war, denn wenn andere Schlange standen, musste es etwas geben, wofür es sich lohnte, Schlange zu stehen. Es war wie in dem Charlie-Chaplin-Film, wo Chaplin nur noch ein menschliches Zahnrad an einem riesigen Fließband ist.
    Man sollte denken, nach so viel Plackerei wären wir erschöpft gewesen und hätten nur noch ins Bett gewollt, doch das waren wir nicht. Bei mir staute sich jeden Tag, an dem ich auf diese beiden Anzeigen starrte, eine Menge Energie auf, wie statische Energie. Die Langeweile brachte mich fast um, doch am Ende der Schicht wachte etwas in mir auf, und dann war ich bereit, die halbe Nacht aufzubleiben. Und tausende von anderen überdrehten jungen Leuten blieben nur allzu gern mit mir auf.
    Die Kulturhalle lag in der Mitte des damaligen Townsite – am jetzigen Jackson Square, zwei Blocks unterhalb der Kapelle auf dem Hügel. In unmittelbarer Umgebung der Kulturhalle befanden sich ungefähr ein Dutzend Wohnheime, und in jedem Wohnheim wohnten hunderte von jungen Männern und Frauen, die meisten alleinstehend. Also war die Kulturhalle jeden Abend gerammelt voll, die ganze Nacht. Um Mitternacht herum, wenn den Arbeitern der Frühschicht allmählich die Puste ausging, stempelten die Arbeiter der Spätschicht aus und strömten in die Kulturhalle und blieben bis zur Morgendämmerung, und gerade wenn sie hinaustaumelten, um sich eine Mütze voll Schlaf zu holen, kamen die von der Nachtschicht herein. Am Wochenende war es auf der Tanzfläche meist so voll, dass man sich kaum rühren konnte.
    Eines Abends im Frühling 1944 gingen meine Zimmergenossin Roxanne und ich hin, um auf Glenn Miller ein bisschen Jitterbug zu tanzen, doch stattdessen saß ein Mann am Klavier und sang. Er sah kultiviert aus und älter – fünfundzwanzig, vielleicht sogar schon dreißig, können Sie sich das vorstellen? Heutzutage ist Oak Ridge voller steinalter Fossile wie mir, aber damals waren hier fast alle unter dreißig. Bauarbeiter mussten jung und stark sein, um die harte körperliche Arbeit zu bewältigen, und die Wissenschaftler mussten im Geiste jung und beweglich sein. Ich war zwanzig, die meisten jungen Frauen, mit denen ich zusammenarbeitete, hatten gerade mal die Highschool abgeschlossen.
    Roxanne und ich gingen nach vorne durch, doch das hat eine Weile gedauert, denn wir mussten uns an unendlich vielen Männern vorbeischieben, und die Männer machten es uns nicht gerade leicht, uns an ihnen vorbeizuzwängen. Oak Ridge erinnerte Anfang der 40er-Jahre an eine Goldgräberstadt im neunzehnten Jahrhundert; während des Krieges kamen hier auf eine Frau fünfzehn oder zwanzig Männer, wir hatten also keine Probleme, uns zu verabreden – manche von uns Mädels hatten sogar mehrere Verabredungen an einem Abend, mit dem Ersten um acht, mit dem Nächsten um zehn und dann noch mit einem um Mitternacht. Doch die traurige Wahrheit war die, dass Oak Ridge zwar einiges an Quantität zu bieten hatte, es aber an der Qualität mangelte. Viele Männer waren nichts als dumme Rüpel – ganz in Ordnung, wenn man ein Fundament ausheben, eine Straße planieren oder in einer dunklen Türöffnung schmusen will, doch wenn man mehr wollte, war das Verhältnis von Weizen zu Spreu etwa so niedrig wie das Verhältnis von U-23S zu U-238.
    Auch aus der Nähe fand ich den Typ am Klavier ziemlich schick. Er trug Jackett und Krawatte, hatte eine runde Hornbrille und gewelltes, nach hinten gekämmtes Haar. Er sah intelligent aus, und die Musik, die er spielte, entsprach seinem Aussehen – Cole Porter. Porters Texte sind geistreich und mehrdeutig, und so, wie der Sänger die Stimme modulierte und die Augenbrauen hochzog, war klar, dass er wusste, was all die Anspielungen bedeuteten. Doch unter all dem Glanz war Porter zutiefst zynisch – wie eine Cocktailparty, die nach viel Spaß klingt, bis man mal richtig hinhört und merkt, dass unter dem Lachen und dem

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