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Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Titel: Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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eine Eiszange und zwei Whiskygläser. Unter der Theke befanden sich Schränke, darüber Bücherregale mit hunderten von Bänden, von dünnen Taschenbüchern bis hin zu dicken, in Leder gebundenen Bänden. Ich überlegte, ob sie sie alle gelesen hatte. Ich gab einige Eiswürfel in ein Glas und schenkte dann aus der Karaffe Wodka ein, wobei mir ein Hauch von Orange in die Nase stieg. Bedeuteten »zwei Finger« mit oder ohne Eis?, überlegte ich, wollte meine Unwissenheit jedoch nicht preisgeben, indem ich danach fragte. Ohne, beschloss ich und schenkte weiter ein, schließlich füllte das Eis allein mindestens einen Fingerbreit.
    An einem Ende der Theke standen zahlreiche gerahmte Fotos, und als ich ihr den Wodka brachte, machte ich einen Umweg an den Fotos vorbei. Es waren rund ein halbes Dutzend an der Zahl, alle in Schwarzweiß, und Kleidung und Frisuren ließen mich vermuten, dass sie aus den 1940er-Jahren stammten. Plötzlich erkannte ich ein Foto, ich hatte es an dem Tag von Novaks Beerdigung im Museum und in der Stadtbücherei gesehen. Darauf war eine auffallend hübsche junge Frau zu sehen, die an einer Konsole voller Skalen und Schalter saß, und in den fünf Sekunden, die ich brauchte, um Beatrice ihren Drink zu bringen, ging mir auf, dass das hübsche Mädchen dieselben Wangenknochen und dieselbe Kieferpartie besaß wie die alte Frau, die im schwindenden Licht saß. »Das sind Sie auf dem Foto«, meinte ich.
    »Nicht mehr«, meinte sie. »Das war vor einer Ewigkeit. Aber damals, während des Krieges, war ich das Calutron-Postergirl.«
    »Was ist ein Calutron?«
    »Ein Zyklotron der California University«, sagte sie. »Erfunden von dem Physiker und Nobelpreisträger Ernest Lawrence aus Berkeley. Damit haben wir in der Y-12-Anlage Uran-235 für die Bombe gespalten. Natürlich hat man uns nicht gesagt, was wir da taten. Der Vorarbeiter wies uns nur an, die Messgeräte im Auge zu behalten und an den Knöpfen zu drehen, damit die Nadel immer hübsch in der Mitte stand. Also habe ich aufgepasst und gedreht. Und Atom für Atom habe ich den Isotopenweizen von der Spreu getrennt, könnte man so sagen. Ich war eine Erntehelferin, Bill, auf dem Dreschboden der atomaren Scheune.«
    Ich reichte ihr das Glas und bemerkte ein leichtes Zittern der Hand, die danach griff. Ein Sonnenstrahl fiel auf die Eiswürfel und ließ sie aufglühen wie goldene, lebendige Wesen. Beatrice’ Haut war durchscheinend. Darunter konnte ich das Spinnennetz dünner purpurroter Venen und darunter die ausgedörrten Muskelstränge und Sehnen erkennen. Ich glaubte fast, auch Knochen zu sehen, doch das bildete ich mir sicher nur ein. Sie holte tief Luft, atmete aus und trank einen Schluck Wodka. »Ich war einst eine richtige Schönheit«, sagte sie und wies mit dem Glas in der Hand auf das Foto. Sie sagte es nicht prahlerisch, es war die Feststellung einer Tatsache, unterlegt mit einem leichten Hauch von Nostalgie. »Wie gesagt, das ist Ewigkeiten her. Ich bin nicht mehr diese junge Frau. Ach, aber Geschichten könnte ich Ihnen über sie erzählen.«
    »Erzählen Sie mir eine«, sagte ich und setzte mich in den Schaukelstuhl. »Erzählen Sie mir die Geschichte, wie diese junge Frau Leonard Novak begegnete und seine Frau wurde.«
    Sie begann zu reden, und ihre Worte woben einen Zauber.

14
    Vor langer Zeit, Bill, loderte Oak Ridge vor Genialität und Vitalität, und Leonard Novak und ich brannten im Herzen der Flamme.
    Es war nicht nur die Arbeit, denn für die meisten von uns war die Arbeit der langweilige, monotone Teil, die Schichten waren lang und die Arbeit entweder körperlich anstrengend oder verblödend. Heute kommt einem das alles aufregend und glamourös vor, aber damals wusste nur eine Handvoll Menschen, welche Rolle wir im großen Ganzen spielten. Die militärische Leitung, wie General Groves und Colonel Nichols, sah das größere Bild, genau wie die leitenden Wissenschaftler wie Oppenheimer, Fermi und Lawrence, obwohl die drei nie hier gelebt haben, sie sind nur ab und zu mal über Oak Ridge hereingebrochen wie Staatsoberhäupter auf Besuch. Von den hunderten von Wissenschaftlern in Oak Ridge war Novak einer der wenigen, die begriffen, was das Ganze für ein riesiges, wahnwitziges Unternehmen war.
    Die anderen achttausend von uns waren Arbeitsbienen, die nur ihren eigenen winzig kleinen Arbeitsbereich sahen, ohne eine Vorstellung von dem größeren Zusammenhang zu haben. Also verbrachte ich acht Stunden am Tag, sechs Tage die Woche

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