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Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Titel: Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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mehrere Weg zum Bau der Bombe beschritten, und alle hatten zum Ziel geführt. »Aber sehen Sie ihn sich an, Dr. B.«
    Sie holte ein Foto von General Groves aus einem Aktenordner, den sie mitgebracht hatte, und legte es auf den Tisch. Es war ein berühmtes Foto; seit ich Novak aus dem Eis gesägt hatte, hatte ich es unzählige Male betrachtet. Das Foto zeigte Groves, wie er die Karte von Japan studierte. Nein, nicht studierte, eher, wie er mit seinem Blick ein Loch hineinbrannte. Der Bauch des Generals war teigig und seine Backen schlaff, doch seine Augen waren wie Laser, fest auf ihr Ziel gerichtet. »Der Horizont des Mannes ging nicht einen Zentimeter über Japan hinaus«, sagte sie. »Bau die Bombe, wirf die Bombe ab.«
    »Er war der richtige Mann für die Aufgabe«, sagte ich.
    »Und jetzt sehen Sie sich Oppenheimer an«, sagte sie und holte ein weiteres Foto aus dem Aktenordner. Der Physiker trug den runden Filzhut, der sein Markenzeichen gewesen war, fast wie der abgewetzte Schlapphut von Indiana Jones. In Oppenheimers Mundwinkel hing eine Zigarette, und ein Rauchfetzen wehte links an seinem Gesicht vorbei. Um seinen mageren Hals war eine schmale Krawatte geknotet – von Hängebacken bei ihm weit und breit keine Spur –, und auf den knochigen Schultern hing ein Tweedjackett. In der Mitte des Fotos waren zwei gehetzte, eindringliche Augen. Sie starrten direkt in die Linse, doch sie schienen auf etwas zu blicken, das weit dahinter lag. »Sehen Sie? Das sind die Augen eines Mannes, der an einen Felsen gekettet ist, eines Mannes, der in die Ewigkeit starrt«, sagte sie. »Wo ist die Grenze zwischen Amerika und Japan oder Amerika und Russland, wenn man in die Ewigkeit blickt?«
    »Sind Sie sicher, dass er so weit schauen kann, Miranda? Sind Sie sicher, dass Sie in seine Seele blicken können?«
    »Kommen Sie schon, Dr. B. Als der Trinity-Test funktionierte, hat dieser Mann nicht ›Juhuu‹ oder ›Verflucht‹ oder ›Oh, Mist‹ gesagt. Dieser Mann hat gesagt: ›Ich bin der Tod, der alles raubt, Erschütterer der Welten.‹ Er war verzweifelt. Er hat sich nach dem Krieg dafür eingesetzt, Atomwaffen zu begrenzen, und dafür hat man ihn als Verräter beschimpft.«
    »Er hat es versucht«, sagte ich. »Aber erst nach dem Krieg.«
    Sie runzelte die Stirn. »Ich weiß«, sagte sie, »und das ist ja mit das Tragische an ihm. Er hat die Bombe gebaut, und dann hat er das, was er getan hatte, und das Wettrüsten, das es in Gang gesetzt hatte, verabscheut. Und das hat ihn letztlich seinen Posten als Regierungsberater gekostet. Und dann werfen Sie mal einen Blick auf Werner von Braun. Von Braun war der Kopf hinter den V-2-Raketen, die während des Krieges auf London niederregneten, doch er wurde zum amerikanischen Helden, weil er anfing, Raketen für uns zu bauen statt für Hitler. Was mich gewissermaßen zu Klaus Fuchs bringt. War er ein Patriot oder ein Verräter?«
    »Verräter«, sagte ich. »Ohne Zweifel. Er hat atomare Geheimnisse an unsere Feinde verkauft.«
    »Aber er war Jude«, sagte sie. »Für ihn war der eigentliche Feind Hitler. Und wenn der Feind deines Feindes dein Freund ist, dann ist Russland dein Freund. Abgesehen davon waren es unsere Verbündeten. Wenigstens theoretisch.«
    »Gewaltiger Unterschied zwischen Theorie und Praxis«, sagte ich. »Stalin war ein Tyrann und Schlächter, vor dem Krieg genauso wie hinterher.«
    »Ja. Aber welches Land der Welt hat je bei kriegerischen Handlungen Massenvernichtungswaffen eingesetzt? Die Vereinigten Staaten. Zweimal.«
    »Das haben wir getan, um Menschenleben zu retten, Miranda«, sagte ich. »Nicht nur das Leben von US-Bürgern, auch von Japanern. In einer Nacht im März 1945 haben wir Brandbomben über Tokio abgeworfen. Der Feuersturm hat einundvierzig Quadratkilometer des Stadtgebiets vollkommen zerstört und mehr als hunderttausend Zivilisten das Leben gekostet. Die Luftangriffe auf Tokio haben Japan nicht dazu bewegt zu kapitulieren. Es erforderte die Symbolkraft der Atombombe, um den Krieg zu beenden.«
    »Äußerst fraglich«, sagte sie. »Die Japaner haben Ende Juli, vor Hiroshima, Kapitulationsangebote gemacht. Doch wir haben sie vom Tisch gewischt, denn an diesem Punkt hatten wir die Bombe bereits getestet. Wir wussten, dass sie funktionierte, und wir wollten sie abwerfen. Nicht nur, um den Sieg über Japan zu sichern, sondern auch, um die Russen einzuschüchtern, denn wir wussten schon, dass sie unser nächstes großes Problem sein

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