Dr. Gordon verliebt
daß das Umkleiden auf ebensolche Schwierigkeiten stieß wie in einer Telephonzelle. Nebenan befand sich ein Badezimmer, dessen Leitungssystem offenbar von Salvadore Dali entworfen worden war; das untere Stockwerk enthielt ein fadenscheiniges Sitzzimmer mit einem verschnörkelten Marmorkamin, einer Gedenkmappe, betitelt «Der britische Feldzug in Frankreich und Flandern», und das Bildnis eines fetten weiblichen Albinos, das neckisch hinter einem Wasserfall hervorlugte; darunter stand zu lesen: «Psyche im Bad Gien Gurrick Branntweinbrennereien G. m. b. H.» Dieses Gemach füllte sich allabendlich mit Handelsreisenden, rotgesichtigen Männern in blauen Anzügen, die, wie mir schien, ebensosehr wegen der abwechslungsreichen Gesellschaft, die sie darstellten, wie wegen der Aufrechterhaltung des Verpflegungsstandards willkommen waren. Die Dauergäste des Hotels setzten sich aus verwelkten alten Damen und Lehrpersonen im Ruhestand zusammen. Und dann gab’s noch Mr. Tuppy.
Mr. Tuppy war der Hotelwitzbold. Ich lernte ihn am Tag meiner Ankunft beim Dinner kennen, als er den Speisesaal mit der Selbstsicherheit Danny Kays im Palladium betrat und an das versammelte Publikum die Frage richtete: «Ist ein Arzt im Haus?» Diese schlichte Äußerung rief allgemein schallendes Gelächter hervor. Er setzte sich an den Nebentisch, stopfte die Serviette unters Kinn und fuhr fort, spaßige Bemerkungen über Ärzte von sich zu geben, während ich versuchte, mich finsteren Angesichts auf die Lancet zu konzentrieren. Als er kurz darauf ein Gespräch mit mir anknüpfte, äußerte er fassungsloses Erstaunen darüber, daß ich zufälligerweise dem Ärztestand angehörte, doch von diesem Augenblick an erwählte er mich zu seiner Zielscheibe.
«Kannte mal einen, der zum Arzt ging», wandte er sich, sein Steak bearbeitend, an die Allgemeinheit. «Hatte ein Halsleiden. Konnte nur im Flüsterton sprechen. Unser Freund hier wird schon wissen, wieviel es geschlagen hat, was, Doktor? Also, der Bursche ging jedenfalls zum Arzt. Eine flotte Blondine machte ihm die Tür auf — bleiben Sie ruhig hier, Mrs. Knottadge, Sie brauchen den Saal nicht zu verlassen — wo bin ich eigentlich stehengeblieben? Ah, richtig. Die Tür wird von einer tollen Blondine auf getan. Der Bursche krächzt im Flüsterton: Die Blonde flüstert zurück: .»
Die alten Damen lachten so laut, daß die Medizinfläschchen auf ihren Tischen hüpften, wohingegen ich mich bemühte, ein gutmütiges Grinsen hervorzuzaubern.
«Da fällt mir noch ein anderer ein», säuselte Mr. Tuppy weiter, indem er sich zum zweitenmal mit Kartoffeln bediente. «Einer geht zum Psychiater — unser Freund hier weiß Bescheid, was ein Psychiater ist, was? Ein Kerl, der in eine Nacktrevue geht und sich die Zuschauer ansieht. Also, der Bursche geht zum Psychiater und sagt: Sagt der Psychiater: »
Jedermann, einschließlich Mrs. Knottadges, erlitt einen Kollaps. Ich versuchte später unvorsichtigerweise Mr. Tuppy zu schlagen, indem ich selbst einen Ärztewitz erzählte, doch niemand schien ihn im leisesten komisch zu finden. Einen noch größeren Fauxpas beging ich, als ich Joan, unsere bleichsüchtige Kellnerin, harmlos zu necken begann. Von Mr. Tuppy nahm sie bereitwillig Anspielungen entgegen, die den Inhaber einer Teestube veranlaßt hätten, zum Telephon zu stürzen und die Polizei zu rufen, doch mir sagte sie eisig, sie sei nicht eine solche, danke sehr; und dies entzog mir noch mehr die Achtung der Mitgäste, die sowieso schon tief gesunken war. Mr. Tuppy hatte auch die lästige Gewohnheit, händereibend zum Frühstück zu erscheinen und auszurufen: «Heil dir, leuchtender Tag, du wirst mir doch nicht wieder Heringe bringen?», und bei jedem Mittag- und Abendessen sein Glas Braunbier mit den Worten «Herrliches Gebräu — man spürt direkt, wie das guttut!» an die Lippen zu führen. Ich verfiel bald in die Gewohnheit, dieser Bemerkungen mit zusammengeballten Fäusten zu harren, und es wurde mir offenbar, daß ich dauernden seelischen Schaden davontragen würde, wenn ich nicht binnen kurzem mein Logis wechselte.
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ALS ICH ERNSTHAFTE ANSTALTEN TRAF, nach einer anderen Unterkunft Ausschau zu halten, hatte ich bereits
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