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Dr. Gordon verliebt

Dr. Gordon verliebt

Titel: Dr. Gordon verliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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einer falschen Diagnose ins Spital geschickt werden, und wir sahen infolgedessen unsere Lehrer als unfehlbar und die allgemeine Praxis als ein ähnliches Refugium wie die Kirche an — nämlich nur dafür geeignet, die Schwachköpfe der ärztlichen Familie aufzunehmen.
    «Wenn ich auf die langen Jahre meiner Erfahrung zurückblicke», fuhr Dr. Farquarson fort, «möchte ich sagen... Ja, was möchte ich eigentlich sagen? Daß mir nichts, aber schon gar nichts einfällt, was einem jungen Mann mit halbwegs reger Intelligenz von Nutzen sein könnte. Sie werden ja den ganzen Rummel von ihrem Vater her kennen. Die Patienten sind fast auf der ganzen Welt die gleichen, ob Sie sie nun, auf Staatskosten erkrankt, in einem Spital besuchen oder daheim in ihren Schlafzimmern.»
    «Ich hoffe, Sie werden in den ersten Wochen mit mir Geduld haben,» sagte ich.
    «Das heißt natürlich dann, wenn Sie die meiste Arbeit haben. Alle werden Sie beschnüffeln wollen. Jetzt schon zerbrechen sie sich bei ihren Teekränzchen den Kopf darüber, wie Sie wohl sein mögen.» Er streckte seine langen mageren Beine unter dem Schreibtisch aus. «Ich werde das kleine Zimmer nebenan in ein Sprechzimmer für Sie verwandeln. Tut mir leid, daß ich Sie nicht im Haus unterbringen kann», sagte er entschuldigend. «Mein Zimmer oben faßt kaum den ganzen Kram, der sich in all den Jahren angesammelt hat. Und Sie würden doch sowieso nicht mit einem derartigen Musterexemplar an Senilitat, wie ich es bin, zusammenhausen wollen, nicht wahr? Das andere Zimmer wird selbstverständlich von unserer hochgeschätzten Miss Wildewinde eingenommen.» Das war die Empfangsdame, die mich eingelassen hatte, eine Frau in mittleren Jahren, wie man sie häufig in England Hunde, Pferde oder Kinder anderer Leute betreuen sieht. «Miss Wildewinde ist eine Dame von furchteinflößender Tüchtigkeit, wie Sie sehr bald entdecken werden. Sie ist auch schon seit langem von McBurneys ärztlichen und persönlichen Qualitäten sehr eingenommen — ein Umstand, der gelegentlich das Leben einer überreifen Jungfer der Ehe gefährlich nahekommen läßt. Jedenfalls werden Sie dadurch, daß Sie fern vom Laden wohnen, einer Menge nächtlicher Anrufe entgehen. Und im werden Sie wahrscheinlich recht gut aufgehoben sein.»
    Binnen einer Woche hatte ich meine Illusionen bezüglich der allgemeinen Praxis verloren. Zuerst einmal entdeckte ich, daß die Leiden, die die Bevölkerung von Hampden Cross heimsuchten, keinerlei Beziehung zu jenen zu haben schienen, die wir im St. Swithin studiert hatten. Viele Patienten litten unter leicht feststellbaren Beschwerden jener überanstrengten Systerne, die in Begriffen wie «Die Gefäße», «Die Nerven», «Die Winde» zusammengefaßt wurden; aber sehr viele andere schienen nur allzu deutlich das vergebliche Ringen der Menschheit gegen die Natur darzutun. Da gab es alte Frauen, die darüber klagten, zu dick zu sein, und junge Frauen, die sich zu dünn vorkamen; Leute, die erklärten, sie könnten nicht schlafen, und andere Wieder, die behaupteten, sie könnten sich nicht wach halten; Mädchen, die weniger Haare auf den Beinen, und Männer, die mehr Haare auf dem Kopf wollten; Ehepaare, die sich Kinder wünschten und keine kriegen konnten, und solche, die zu viele Kinder hatten und nicht wußten, wie sie das stoppen sollten. Die übrigen brauchten einfach eine Bescheinigung. Alltäglich Unterzeichnete ich deren mehrere Dutzend; sie berechtigten die Inhaber zu mehr Milch oder weniger Arbeit und eisten den Jüngsten vom Besuch der Nachmittagsschule und den Ältesten von der Militärdienstpflicht los.
    «Die ärztliche Unterschrift», erklärte Dr. Farquarson auf eine diesbezügliche Bemerkung meinerseits, «ist das des Wohlfahrtsstaates. Heutzutage sind die Bewohner eines zivilisierten Gemeinwesens einfach außerstande, ohne sie zu existieren. Ist Ihnen bekannt, daß es ein volles Dutzend separate Parlamentsgesetze gibt, die gegen Mißbräuche ärztlicher Bescheinigungen einschreiten? ich habe sie selber gezählt.»
    «Na, hoffentlich schädige ich nicht das hohe Finanzamt», sagte ich bange. Von einem in eisigem Ton gehaltenen Merkblatt des Obersten Ärzterates kannte ich die Strafen, die auf sorgloses Bescheinigen angedroht wurden. Wenn ich einem Bittsteller versehentlich eine Flasche Orangensaft oder ein Gratispaar orthopädischer Schuhe zubilligte, konnte ich vor dem örtlichen Assisengericht landen. «Außerdem

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