Dr. Gordon verliebt
ganz nettes Mädel zu sein, wenn sie auch offensichtlich aller Dinge ermangelte, die in Heiratsannoncen angeführt werden. Sie konnte über nichts anderes als über ihre Symptome plaudern; schließlich seufzte sie und sprach: «Ich wünschte, ich könnte fort. Zum Beispiel auf eine lange, lange Seereise. Ich bin überzeugt, die würde mir schrecklich guttun.»
«Nun — warum versuchen Sie’s nicht? Sie könnten doch als Stewardeß Unterkommen?»
«Daran hab ich auch schon gedacht. Aber ich könnte es nicht übers Herz bringen, Mutti zu verlassen.»
«Vielleicht wird einst der Tag kommen, da Sie dies tun müssen», tröstete ich sie. «Sie wissen schon — wenn Sie Ihr eigenes Heim gründen.»
Sie schenkte mir ihr seltenes Lächeln und begann über den Garten zu sprechen.
«Sie haben ein regelrechtes Wunder an Cynthia gewirkt», flüsterte mir Mrs. Porson zu, als ich mich verabschiedete. «Sie ist ein ganz anderes Mädel geworden, seit Sie sie in die Hand genommen haben.»
«Ich werde es meinem Vater sagen, wenn ich ihn das nächste Mal besuche», gab ich lächelnd zurück.
«Oh, Doktor Gordon», keuchte sie. «Meinen Sie das im Ernst?» Ich hielt dies für eine merkwürdige Antwort, kehrte jedoch, zufrieden mit meiner abendlichen Ordination, in die Krypta zurück.
«Miss Porson läßt schon wieder um Ihren Besuch bitten», sagte Miss Wildewinde am nächsten Tag. «Solange Doktor McBurney da war, hat uns diese Familie nie soviel zu schaffen gemacht.»
Diesmal hatte Cynthia leichte Magenschmerzen. Ein paar Tage später waren es leichte Kopfschmerzen, und drei Tage danach leichte Ohrenschmerzen. Jedesmal pflegte ihre Mutter ihre Temperatur zu messen, sie ins Bett zu stecken und zum Telephon zu eilen. Da nunmehr meine Arbeit in der Neustadt täglich zunahm und das Influenzavirus frohlockend die Saison eröffnete, beschloß ich, energisch zu werden. Außerdem entwickelte sich das arme Mädel, weit davon entfernt, aus meiner ärztlichen Betreuung Nutzen zu ziehen, zu einer blühenden Neurotikerin.
Nachdem ich sie einige Tage später wegen leichter Rückenschmerzen untersucht hatte, bat ich ihre Mutter in den Salon und erklärte ihr mit soviel Nachdruck wie möglich: «Mrs. Porson — ich möchte ernsthaft mit Ihnen reden.»
«Ja, Doktor?»
«Es handelt sich um Ihre Tochter.»
«Natürlich, Doktor.» Sie lächelte mich an.
«Mrs. Porson, Sie halten mich vielleicht für recht jung und unerfahren —»
«Aber nicht doch, keineswegs!» unterbrach sie mich. «Nicht ein bißchen zu jung. Heutzutage fassen die jungen Leute ihre Entschlüsse eben viel früher, nicht wahr?»
«Ich will damit sagen, Sie halten mich vielleicht für etwas zu jung, um solcher Art mit Ihnen zu sprechen.»
«Sagen Sie mir genau , was Sie auf dem Herzen haben, Doktor. Ich kann mir ja so gut vorstellen, wie Ihnen zumute ist.»
«Danke. Natürlich wollte ich mich erst mit Ihnen aussprechen, bevor ich Cynthia etwas davon sage.»
«Ach, wie schrecklich, schrecklich lieb von Ihnen! Und da sagt man immer, die jüngere Generation sei so rücksichtslos!»
«Um die Sache beim wahren Namen zu nennen: Cynthia sollte heiraten.»
Sie schlug die Arme um mich und brach in Tränen aus. «Oh, Doktor! Nun müßt du mich aber auch Mutti nennen!»
Als ich aufbrach, tanzten Mrs. Porsons Gesicht, die Chintzvorhänge in der Diele, die Zwergengruppe im Garten, das weiße, geflochtene Gatter einen wilden Reigen um mich... Wie betäubt absolvierte ich die restlichen Visiten.
«Aber wie kann nur dieses abscheuliche Weib auf die Idee verfallen sein, daß ich ihre verflixte Tochter höchstpersönlich vor dem psychologischen Abfallhaufen bewahren will?» beklagte ich mich bitter bei Dr. Farquarson, sobald ich zurückgekehrt war.
«Für jedes liebende Mutterherz ist ein Arzt ein guter Fang», sagte er, angestrengt bemüht, seine Augenbrauen ruhig zu halten. «Wenn ich auch zugeben muß, daß dies eine recht peinliche Situation für einen jungen Mann ist.»
«Aber was soll ich denn nun tun, um Himmels willen? Was für ein Dummkopf war ich doch! Ich bildete mir ein, nicht einmal die Porsons könnten von mir erwarten, daß ich die Medizin, die ich verschreibe, auch selber schlucken muß.»
Dr. Farquarson schraubte nachdenklich am Schall Verstärker seines Stethoskops. «Von nun an werde ich die Familie Porson übernehmen. Obwohl ich jede Wette eingehen möchte, daß sie nach ein paar Visiten ihre Krankenscheine zurückverlangen werden.»
Doch selbst diese
Weitere Kostenlose Bücher