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Dr. Gordon verliebt

Dr. Gordon verliebt

Titel: Dr. Gordon verliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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sicher schon einiges über irische Leichenbegängnisse gehört?»
    Ich nickte.
    «Der Ort hatte seit der Nacht, da das Postfräulein überschnappte und auf der Hauptstraße die Kleider auszog, keinen solchen Spaß gehabt. Ich wurde zu einer hochwichtigen Persönlichkeit, weil der alte Major, wie so manche andere, sich stets Sorgen gemacht hatte, ob er auch richtig kalt sein würde, bevor er ins Grab gelegt wurde. Bildete sich ein, er könnte plötzlich sechs Fuß unter der Erde wieder aufwachen. Eine recht morbide Vorstellung. Ich mußte ihm die Adern öffnen, was mich etwas irritierte, denn ich hatte gehört, daß einmal ein Arzt, der dasselbe unternahm, in seinem Eifer ein bißchen übertrieb; und zehn Minuten später lief das Blut die Treppe hinab. Bei der gerichtsärztlichen Untersuchung gab’s nachher ein paar lästige Fragen.»
    Von der bloßen Erinnerung aufgewühlt, tat er einen tiefen Zug.
    «Na, jedenfalls stand es fest, daß der Alte nicht länger unter uns weilen würde. Doch er hatte sich auch Sorgen darüber gemacht, daß er von den Würmern gefressen werden könnte, und so weiter, und hatte mich gebeten, ein Behältnis zu konstruieren, das ihn gut in Form hielte. Wahrscheinlich so lange, bis er von Archäologen ausgegraben werden würde. Glücklicherweise war der Schreiner und gleichzeitige Leichenbestatter des Dorfs ein lustiger Vogel — er hieß Seamus —, und da er keine Bleisärge auf Lager hatte, machten wir uns daran, eine geniale Idee in die Tat umzusetzen: den Major in zahllose Rollen von Bleifolien einzuwickeln, ähnlich denen, die man auf die Dächer tut. War natürlich verdammt teuer, aber der Major zahlte es ja. Schließlich packten wir ihn ein, was nicht ohne einigen Whisky abging, und Seamus erzählte herum, daß er den Transport besorgen werde. Es gab reichlich Tränen und Reden, und endlich war’s so weit, daß wir uns zum Gang auf den Friedhof anschickten.»
    «Hoffentlich hat nach all diesen ausgedehnten Vorbereitungen die Zeremonie einen glatten Verlauf genommen?»
    «Sie hat überhaupt keinen Verlauf genommen. Als endlich der Augenblick des Abschiednehmens gekommen war, konnten wir den verdammten Kerl nicht vom Boden loskriegen. War absolut unmöglich. Wir waren nicht imstande, ihn auch nur einen Zollbreit zu verrücken, selbst als alle gemeinsam anhoben. Hatten eine lange Diskussion darüber und entschieden, es bliebe kein anderer Ausweg, als Jim O’Flynns Abschleppwagen mit dem Kran drauf kommen zu lassen, oder ihn wieder auszuwickeln. Die Meinungen der Gäste gingen diesbezüglich auseinander, und du weißt, wenn das bei Iren eintritt, erhitzen sie sich einigermaßen. Nach einem Weilchen erfaßte ich, daß man mich als den Urheber dieser peinlichen Situation betrachtete, und so schlich ich davon, raffte mein kärgliches Hab und Gut zusammen und erwischte noch grade den Nachmittagsautobus. Hatte sowieso keinen Sinn mehr, länger dortzubleiben.»
    Ich lachte. «Nicht die Hälfte glaub ich von dieser Geschichte.»
    «Sie ist wahr. Nicht einmal ich hab es nötig, in puncto Irland zu übertreiben. Nichtsdestoweniger, Richard — mein irisches Zwischenspiel liegt nun hinter mir. Muß als ehrsamer englischer Landarzt von neuem beginnen. Und ich möchte hinzufügen, daß mich die Vorstellung entzückt, mit einem alten Kameraden wie dir zusammenzuarbeiten.»
    «Auch mich, bei Gott!» Ich klopfte ihm auf die Schulter. «Das war stets eine meiner sentimentalen Hoffnungen, als ich noch im St. Swithin war.»
    «Habe auch schon ein bißchen Medizin gebüffelt. Heut nachmittag hab ich in Conybeares Lehrbuch den Abschnitt über die Krankheitserscheinungen der Verdauungsorgane nachgeschlagen. Hab bei der Mundfäule begonnen und war zur Teezeit bei den Störungen der Speicheldrüse angelangt. Samstag könnte ich schon beim Blinddarm und dem Wurmfortsatz gelandet sein.»
    Grimsdykes fröhliches Auftreten und fröhliche Westen kamen der Praxis gewiß in erfrischender Weise zugute. Sein Benehmen war vielleicht dem Umgang mit Buchmachern angemessener als dem Umgang mit Patienten, doch er besaß die köstliche Gabe, jedermann zwischen Neun und Neunzig zum Lächeln zu bringen. Bei den Patienten war er sichtlich beliebt — ausgenommen die Porsons, die er entgegenkommenderweise an meiner Statt aufsuchte, als Cynthia ihre nächsten leichten Schmerzen bekam; er wurde von ihnen empfangen «wie ein Schauspieler dritter Besetzung, der bei einer Samstagabendvorstellung einspringen mußte». Sonst schien

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