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Dr. Gordon verliebt

Dr. Gordon verliebt

Titel: Dr. Gordon verliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Erleichterung wurde mir versagt. In der darauffolgenden Nacht erkrankte Dr. Farquarson selbst. Seit mehreren Tagen hatte er über heftige Schmerzen im Kreuz geklagt, und als ich nach einem späten Besuch eine Spritze in die Ordination zurückbrachte, fand ich ihn bewegungsunfähig an seinen Stuhl gefesselt.
    «Nur ein Hexenschuß», erklärte er, sich schmerzverzerrt reibend. «Ärgern Sie sich nicht, Richard — morgen werde ich mich wieder pudelwohl fühlen.»
    «Sollten Sie nicht jemanden konsultieren?» fragte ich beunruhigt. «Ich könnte den alten Rogers anrufen. Im Vorbeigehen sah ich ihn in seine Ordination zurückkehren.»
    «Nein, nein», rief er mit ungewohnter Erschöpfung. «Belästigen Sie ihn nicht zu dieser Stunde. Er ist genau so überarbeitet wie wir. Außerdem hab ich kein großes Zutrauen zu Ärzten.»
    «Darf ich Sie dann wenigstens untersuchen?» Da er zögerte, fügte ich hinzu: «Sie erinnern sich doch, wie Sie selbst über den Starrsinn der Dummköpfe Klage führten, die nur mit den Füßen voran zum Arzt kommen.»
    «Ich fürchte, es ist eine Zwischenwirbelscheibe verrutscht», verkündete ich ihm etwas später.
    Er gab seufzend zu: «Nun, da Sie’s sagen — das hab ich schon die ganze Zeit geahnt.»
    «Glauben Sie nicht, daß Sie einen Spezialisten aufsuchen sollten?» fragte ich ihn ehrlich besorgt. «Ich könnte Sie in der Privatabteilung des Spitals unterbringen. Schließlich haben wir den Leuten genug Patienten ins Haus geschickt.»
    «Da sei Gott vor! Dorthin bringen mich keine zehn Rösser!»
    «Hören Sie mich an», erklärte ich, erkennend, daß ich festbleiben mußte. «Ich lasse morgen einen Wagen kommen und Sie zu Sir Robert Cufford nach London bringen. Der versteht von Zwischenwirbelscheiben mehr als jeder andere. Sind Sie damit einverstanden? Wo Sie ihn doch als Student gekannt haben.»
    «So ein aufgeblasener dickköpfiger Tunichtgut!»
    «Das ist gerade der Typ, den Sie brauchen, um das zu tun, was Ihnen anbefohlen wird. Er wird Sie im Neurologischen Spital aufnehmen und Sie untersuchen. Ich bestehe darauf. Ärztliche Anordnung.»
    «Aber das ist doch ausgeschlossen, Richard! Wer wird die Praxis führen?»
    «Ich.»
    «Mit dem besten Willen der Welt — aber ein Paar Hände kann das nicht bewältigen.»
    «Dann nehme ich mir eben einen Stellvertreter.»
    «Um diese Jahreszeit kriegen Sie keinen.»
    «Ich werde es mit den frisch ausgemusterten Swithin-Burschen versuchen.»
    «Die haben alle schon ihren Posten in der Tasche.»
    «Dann werde ich mich an ein Vermittlungsbüro wenden.»
    «Da weiß man nie, was für einen Kerl man kriegt.»
    Wir waren in der Erörterung dieses Problems begriffen, als die Hausglocke erklang.
    «Verdammt nochmal!» rief ich erschöpft, gereizt und besorgt. «Das ist sicher wieder ein Kind mit einem Zettel, auf dem steht: Bitte senden Sie mir mehr Watte und einige Ohrenputzer, Vater seine sind ausgegangen.»
    Auf der Schwelle stand Grimsdyke.

9

    «DIE IRISCHE MEDIZIN läßt sich mit keiner anderen vergleichen», meditierte Grimsdyke. «Ihre Umschläge lassen sie zwar nicht gerade von Kobolden bereiten, aber ein kräftiger Schuß Zauberei ist gewiß dabei.»
    Es war am folgenden Abend, und wir saßen in der Trinkstube «Zum Federhut» hinter der Dekanei. Was mich anbelangt, suchte ich nicht mehr Wirtshäuser auf; wird nämlich ein praktischer Arzt dabei angetroffen, wenn er sich mit einem kleinen Hellen erfrischt, ist er sein Lebenlang als Trunkenbold gebrandmarkt. Doch Grimsdyke hatte in allen Dingen geringere Hemmungen als ich und bestand darauf, daß unsere Wiedervereinigung gefeiert werden müsse.
    Nun war Grimsdyke unser Stellvertreter. Am Morgen hatte ich Dr. Farquarson nach London ins Neurologische Spital gebracht, wo ihn Sir Robert Cufford in der Privatabteilung aufgenommen hatte. Unter dem Protest, daß es ihm schon viel besser ginge, und dem Hinweis auf die Gefahren, die der Praxis drohten, wenn sich Grimsdyke in deren Nähe aufhielt, entschwand er meinen Augen.
    Doch Grimsdyke, der unter der chronischen Wahnvorstellung litt, er sei der Augapfel seines Onkels, zeigte sich entzückt, in einem derart kritischen Moment aufgetaucht zu sein.
    «Vielleicht schmeichle ich mir ein bißchen», erklärte er mit Wärme, «aber ich glaube doch, daß ich zur Praxis des Alten gewaltig beitragen kann. Geschäftlich und gesellschaftlich, verstehst du? Onkelchen ist ein lieber alter Biedermann, aber in allem schrecklich altmodisch. Das hast du wohl auch

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