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Dr. Gordon verliebt

Dr. Gordon verliebt

Titel: Dr. Gordon verliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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leid», schnappte ich nach Luft. «Ich war der Meinung, Sie seien eines der Püppchen meines verflossenen Partners. Will sagen, ich hielt Sie für etwas anderes. O Gott, o Gott!» Ich brach im Sessel zusammen. «Welch schauerlicher Schlamassel! Wollen Sie nicht Platz nehmen? Wollen Sie eine Tasse Tee? Haben Sie schon mittaggegessen?»
    «Ja, im hiesigen Hotel, danke. Ich dachte, es sei besser, dort abzusteigen. Wiewohl ich Ihnen für Ihr telegraphisches Angebot, Ihr Quartier mit Ihnen zu teilen, sehr dankbar bin.»
    Ich barg mein Gesicht in den Händen.
    «Sie müssen mich für ein regelrechtes Scheusal halten», sagte ich kläglich. «Sehen Sie, ich hatte nicht die leiseste Ahnung, daß Sie eine Frau sind. Ich weiß, es ist lächerlich, aber unter einem Doktor stellt man sich stets einen Mann vor — ich zumindest. O Gott! Warum gibt’s nicht so einen ähnlichen Ausdruck wie Doktortrix? Das ist das Übelste, was mir seit Jahren passiert ist.» Ich stöhnte. Eine Steigerung meiner peinlichen Lage schien kaum mehr möglich zu sein. «Wie soll ich Sie um Entschuldigung bitten? Oder wollen Sie am Ende gleich wieder weg?»
    Doch Dr. Barrington fand die Situation offenbar ganz vergnüglich.
    «Machen Sie sich keine Sorgen, Doktor Gordon. Dieses Mißverständnis kommt immer wieder vor. Als ich zum erstenmal ins Allgemeine ging, entdeckte ich, daß man mich für ein Fußballprobespiel und ein Freimaurertreffen vorgemerkt hatte.»
    «Ich werde es nie über mich bringen, Ihnen ins Gesicht zu sehen.»
    «Hoffentlich ringen Sie sich doch noch dazu durch. Sonst dürfte die Praxis einigermaßen erschwert werden, meinen Sie nicht? Ich habe mich noch nie in allgemeiner Praxis versucht und hoffe, eine Menge lernen zu können.»
    «Ich weiß nicht, ob ich Ihnen viel beibringen kann. Sind Sie schon bei der Primären durchgefallen? Oder sind Sie noch gar nicht dazu angetreten?»
    «Oh, ich hab die Primäre gleich nach Beendigung meines klinischen Vorbereitungskursus in Oxford gemacht.» Diese Worte waren der Todesstoß für meinen ohnehin stark zusammengebrochenen Eigendünkel.
    «Wann möchten Sie mit der Arbeit beginnen?» fragte ich demütig,
    «Wann immer Sie wünschen.»
    «Schon heute nachmittag? Wir stehen ziemlich unter Druck.»
    «Lassen Sie mir bitte nur Zeit zum Umkleiden. Ich habe mich so angezogen, um Eindruck zu schinden — ich stellte Sie mir als einen ziemlich überwältigenden alten Herrn vor.»
    «Wissen Sie», sagte ich bittend, «ich werde diese Begegnung bis an mein Lebensende nicht vergessen.»
    Wie recht hatte ich!

12

    VON BERUFS WEGEN mit einer Frau zusammenzuleben, ist eine ungewöhnliche Beziehung. Im St. Swithin gab es Studentinnen, Anstaltsärztinnen und sogar Assistentinnen, doch wie die meisten großen Londoner Lehrspitäler wäre es traditionsmäßig antiweiblich eingestellt. Es hatte überhaupt abgelehnt, Frauen in seinen Reihen aufzunehmen, bis es, auf Grund einer Attacke der Krankenkasse, von der Regierung, die es ja subventionierte, dazu gezwungen wurde; und diese Neuerung wurde von sämtlichen Anstaltsärzten scheelen Blickes aufgenommen. Die Spezialisten erhoben Einwendungen, weil sie dies als ein weiteres Zeichen der allgemeinen Entartung empfanden (vor allem, als ein wohlmeinender Ministerialbeamter darauf hin wies, daß in Sowjetrußland der größte Teil des Ärztestandes von Frauen gebildet werde). Die medizinische Schule erhob Einwendungen, weil derart frivole Objekte wie Frauen im männlich-rauhen, tabakgeschwängerten Gemeinschaftsraum vollkommen fehl am Platze waren. Die Patienten erhoben Einwendungen, weil ihnen die Vorstellung nicht behagte, daß «junge Mädels sich an ihnen zu schaffen machten». Die Anstaltsärzte erhoben Einwendungen, weil sie sich in ihren Heimen gesittet benehmen müßten. Und die Schwestern, weil sie Angst hatten, aus dem Sattel gehoben zu werden.
    Man legte den neuen Studentinnen zahlreiche Hindernisse in den Weg. Würden sie Anstandsdamen brauchen, wenn sie männliche Patienten untersuchten? (Nein.) Wo würden sich ihre Waschräume befinden? (Im alten Ballspielhof.) Könnten sie in die Studentenklubs eintreten? (Bald leiteten sie die meisten davon.) Würden sie heiraten und Babys kriegen, bevor sie fertig studiert hatten? (An der Schauspielakademie taten sie’s nicht.) Der erste Schub traf ohne jegliche Zeremonie zu Beginn des neuen Semesters ein und wurde von den eingesessenen Studienkollegen mit geflissentlicher Gleichgültigkeit unter die Lupe genommen.

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