Dr. Gordon verliebt
Einkommensteuer dazuschlagen wolle? Beide Methoden würden mich nicht nur in ein närrisches Licht setzen, sondern könnten mich auch — da der Commander zu dieser Stunde noch für mich ein Buch mit sieben Siegeln war — in der Themse landen lassen.
Ich fing seinen Blick auf und erkannte mit einemmal, daß er ebenso nervös war wie ich.
«Wie wär’s mit einem Gin?» schlug er vor.
«Eine blendende Idee, Sir.»
«Hab schon gefürchtet, Sie seien Abstinenzler.»
«Ich und Abstinenzler? Wie kommen Sie, um Himmels willen, darauf?»
«Nicki sagte mir, Sie führen einen überaus mäßigen Wandel.»
«Großer Gott! Hoffentlich hat die Liebe sie nicht allzu blind gemacht.»
«War diese Teestunde nicht geradezu schauerlich?» sagte er und nahm eine Flasche und zwei Gläser aus dem Schrank. «Tee läppern und einen gleichzeitig auf die Folter spannen.»
Ich ließ eine höfliche Bemerkung über den ausgezeichneten Kuchen fallen.
«Das schreckliche ist, die Weiber bestehen immer darauf, alles in dieser Form zu erledigen. Für gewöhnlich ist mir so ein Nachmittagstee grenzenlos zuwider. Nehme nie daran teil. Trinke meist eine Tasse allein im Gartenschuppen. Soda?»
«Danke.»
«Und hielten Sie uns nicht für die ödeste Familie, die Gott in seinem Zorn erschaffen hat?»
Diese Frage hatte ich keineswegs erwartet. «Aber ich glaubte, Sie dachten ungefähr dasselbe von mir!»
«Ha! Sie sahen schreckenerregend gefaßt und überlegen aus.»
«Wenn ich mir die Bemerkung gestatten darf, Sir, genau so kamen Sie mir vor.»
«Du lieber Himmel! ich hab schon Blut geschwitzt beim bloßen Gedanken an diesen Nachmittag.»
Wir beide lachten.
«Außerdem haben Sie mich, Sie Nichtsnutz», fuhr der Commander fort, indem er mir meinen Drink reichte, «um mein heißgeliebtes Nachmittagsgolf gebracht. Spielen Sie?»
«Zufälligerweise ja, ein bißchen.»
Zwanzig Minuten lang sprachen wir bei einigen weiteren Gins über Golf, dann erhob sich der Commander und sprach: «Ich glaube, wir sollten doch wieder zu den Damen zurückkehren.»
Ich kam mit weitaus besseren Gefühlen ins Empfangszimmer ' zurück, als ich es verlassen hatte.
«Tut mir leid, daß wir so lange ausblieben, Connie», sagte Nikkis Vater aufgeräumt. «Aber wir hatten eine Menge Dinge zu besprechen. Richard wird einmal am Sonntag herkommen, und wir werden mit Robin und dem alten Doktor Clark ein Viererspielchen machen. Clark wird dir gefallen, Richard — er ist ein guter Taktiker, wenn er auch wie ein einarmiger Fiedler puttet. Du wirst schon auf deine Kosten kommen.»
«Schrecklich nett von dir, mich einzuladen.»
«Nicht die Spur. Das Vergnügen ist ganz auf unsrer Seite. Kann dir gar nicht sagen, wie es mir auf die Nerven geht, Woche für Woche gegen dieselbe alte Bande zu spielen. Wird meinem Spiel mächtig zugute kommen. Viel schlechter könnt ich ja gar nicht mehr spielen, was, Connie?»
«Was sagte Vater?» flüsterte Nicki auf dem Sofa neben mir.
«Wie bitte? Worüber?»
«Über uns natürlich.»
«Großer Gott, Nicki! Ich hab total vergessen, ihn zu fragen.»
Niemand brachte diese Frage nochmals aufs Tapet, und nach ' ein paar Minuten debattierten wir alle darüber, wohin Nicki und ich während der Flitterwochen fahren würden.
«Das ist mein Vater», sagte ich, als ich Nicki vorstellte.
«Meine liebe Sally! Wie freue ich mich, dich endlich begrüßen zu können.»
«Nicht Sally, Vater. Ich hab dir doch — »
«Ach, wie dumm von mir! Wie geht’s, Cynthia?»
«Nicki, Vater, Nicki. Und hier kommt meine Mutter. Mutter, das ist Nicki.»
Es war der Gegenbesuch in der nächsten Woche. Nicki überstand ihn besser als ich. Binnen zehn Minuten saß sie neben meiner Mutter am Kamin und besprach mit ihr angeregt die technischen Details von Hochzeitstoiletten.
«Jetzt muß ich dir aber etwas zeigen, Nicki.» Meine Mutter holte plötzlich ein großes, in Leder gebundenes Photoalbum aus ihrem Sekretär hervor. Ich beobachtete dies mit heftigen Angstgefühlen. Seit Jahren hatte ich den fürchterlichen Argwohn, daß
es einem schaurigen Familiengespenst gleich im Hause existiere; ich hatte jedoch gehofft, es würde sich nie in meiner Anwesenheit materialisieren.
«Nicht, Mutter!» rief ich.
«Warum denn nicht, Richard? Nicki wird es schrecklich interessant finden. Die ersten sind nicht sehr gut ausgefallen», erklärte sie, als sie es aufschlug. «Dies Bildchen wurde aufgenommen, als er drei Monate alt war. Sieht er nicht süß aus in seinem
Weitere Kostenlose Bücher