Dr. Gordon verliebt
Millionen ändere Paare, für eine «stille» Hochzeit. Doch für eine stille Hochzeit bestehen ebensowenig Chancen wie für eine stille Schlacht: viel zuviele Leute, noch dazu alle mit einander widerstrebenden Interessen, sind darin verwickelt. Der Braut erscheint dieses Ereignis in erster Linie als ein glänzender Vorwand, hemmungslos Toiletten einzukaufen; dem Bräutigam als die komplizierteste Art, einen bereits geplanten Urlaub anzutreten. Die Freundinnen der Braut erblicken darin ein gesellschaftliches Unternehmen mit einer reizvollen Zutat von Rührung, und die Freunde des Bräutigams die Gelegenheit, kostenlos dem Alkohol zu frönen. Die Verwandten sind selig, ihre besten Hüte auf setzen und feststellen zu können, wie alt die anderen geworden sind, und für die Eltern bricht das Ereignis wie ein Hurrikan mitten in die friedlichen Gewässer der reifen Jahre ein.
Die Erkenntnis, daß die Auserwählte Eltern besitzt, trifft jeden jungen Mann wie ein Schock. Nicki war mir stets als ein Einzelstern erschienen, der alle anderen am Firmament überstrahlte, und die Vorstellung, daß sie wie jedes andere Wesen einer
Familie angehörte, berührte mich seltsam. Doch als Bräutigam oblag mir als erstes die Verpflichtung, mich dieser zu zeigen; und so wurde, mit der artigen Begründung, ich käme beim Familienoberhaupt um Nickis Hand anhalten, dieses Treffen für nächsten Samstag angesetzt.
«Es tut mir schrecklich leid, so bald nach Ihrer Rückkehr davonlaufen zu müssen», entschuldigte ich mich bei Dr. Farquarson, bevor ich Hampden Cross verließ. Er hatte meinen ersten atemlosen Bericht mit enttäuschender Ruhe aufgenommen. Aber er gehörte zu jenen Leuten, die beim Ertönen der Posaune des Jüngsten Gerichts lediglich fragen, wer denn diesen gräßlichen Krach schlage.
«Sie müssen sich also inspizieren lassen?» Seine Augenbrauen zuckten. «Na, kann mir bestimmt angenehmere Methoden vorstellen, einen Samstagnachmittag totzuschlagen. Ich erinnere mich an den Tag, als ich zum erstenmal den Eltern meiner armen guten Frau gegenüberstand. Sie war die Tochter eines presbyterianischen Geistlichen mit festen Grundsätzen. Ich besaß damals nur einen einzigen Anzug und kam gerade von einer Entbindung, stank also zum Himmel nach Chloroform. Kaum hatte mir ihr Vater die Türe aufgetan, beschuldigte er mich auch schon, zu tief ins Glas geguckt zu haben. Ich erwiderte ihm, wenn einer nicht imstande sei, den Whiskygeruch von anderen Gerüchen zu unterscheiden, sei er nicht geeignet, einer schottischen Pfarrgemeinde Predigten zu halten. Von da an kamen wir glänzend miteinander aus.»
Ich lachte. «Ich mache mich darauf gefaßt, meinen Tee auf den besten Teppich auszuschütten, der Katze auf den Schwanz zu treten und über ihres Vaters Lieblingsobjekte falsche Urteile abzugeben.»
«Och, wird schon nicht schlimmer werden als die medizinische Schlußprüfung. Lassen Sie sich keine grauen Haare wachsen.»
Nicki hatte nun die Praxis verlassen, und ich traf mich mit ihr zum Mittagessen im West End, bevor ich zum Haus ihrer Eltern nach Richmond hinausfuhr. Sobald ich sie wiedersah, lösten sich all meine Sorgen vor der bevorstehenden Schicksalsprüfung in nichts auf. Wir überquerten die Kew Bridge in blendender Stimmung; unsere Unterhaltung beschränkte sich größtenteils auf folgenden Dialog: «Bist du mein kleines Schnuckelchen?»
«Natürlich bin ich dein kleines Schnuckelchen, wenn du mein großes Schnuckelchen bist», womit wieder einmal erwiesen ist, daß jedermann unter solchen Umständen leicht um den letzten Rest von Verstand kommt.
Die Barringtons wohnten in einem freundlichen weißen Haus an der Themse, und als ich den Wagen auf der kurzen Einfahrt zum Stehen brachte, wurde die Türe von einem ungefähr achtzehn Jahre alten rosigen jungen Mann auf gerissen, den eine Whipcordhose, eine karierte Sportjacke und eine Pfeife von der Größe eines kleinen Blasinstrumentes zierte.
«Richard, das ist Robin, mein jüngerer Bruder», sagte Nicki, als wir dem Wagen entstiegen.
Er maß mich mit einem Blick scharfen Argwohns, der Jünglingen eigen ist, wenn sie vermuten, daß ein windiger Bursche ihre Schwester entführen will.
«Kann mir nicht vorstellen, daß jemand Nicki heiraten will.»
«Robin, sei nicht gemein!»
«Ich dachte, du wolltest Bill Wharton heiraten.»
«Robin!»
Als er meinen überraschten Blick auffing, fügte er hinzu: «Oh, Bill Wharton war ein guter Freund Nickis. Wußten Sie das
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