Dr. Gordon verliebt
kommt heute abend her. Wenn du nichts anderes vorhast, fahre doch heraus, und wir gehen zusammen essen.»
Nach einiger Überredung erklärte er sich bereit zu kommen. «Ich hab nämlich auch einen bestimmten kleinen Plan ausgearbeitet, Alter», fügte er hinzu, «über den ich mit dir sprechen möchte. Werde gegen sieben aufkreuzen. Für Onkelchen wird’s ein Festtag sein. Ich weiß, der arme Alte lechzt danach, seine Augen an mir zu weiden.»
«Mein Freund Grimsdyke», bereitete ich Nicki schonend vor, als sein Sportwagen, Jahrgang 1930, knatternd vor der Ordination hielt, «ist eine recht unkonventionelle Figur. Außerdem besitzt er eine äußerst fruchtbare Einbildungskraft. Will damit sagen: falls er Anekdoten aus unserer gemeinsamen Studienzeit zum besten zu geben beginnt, so sind sie reine Phantasieprodukte. Er ist großartig darin, peinliche Geschichten über Leute zu erfinden, der liebe Grimsdyke.» Ich lachte leicht gequält. «Vom Anfang bis zum Ende ist kein einziges wahres Wort dran.»
Die Türglocke erdröhnte.
«Nicki», sagte ich, «das ist Gaston Grimsdyke, allgemein unter dem Namen Grim bekannt. Grim, das ist Nicki.»
Noch nie hatte ich bisher Grimsdyke seine Fassung verlieren gesehen. Er nannte. eine derartige Selbstsicherheit sein eigen, daß ihn nicht einmal die Nachricht, er habe sein Schlußexamen bestanden, zu erschüttern vermocht hatte. Doch Nicki schien ihn aus seinem seelischen Gleichgewicht zu bringen. Offenbar hatte er tatsächlich geglaubt, ich hätte mich an ein Wesen gefesselt, das so ähnlich wie eine russische Langstreckenläuferin aussah, und war nun wie aus allen Wolken gefallen, eine bildhübsche kleine Blondine an meiner Seite zu erblicken.
«Aber, mein lieber Richard...», sagte er, sich rasch fangend. «Mein lieber Richard, meine herzlichste Gratulation! Wünsche euch beiden ein recht langes glückliches Leben und so weiter.» Er verbeugte sich tief, führte Nickis Hand an seine Lippen und drückte einen schmatzenden Kuß auf ihre Knöchel. «Mein lieber Junge, meine aufrichtigsten Glückwünsche.»
«Nun, Grim», sagte ich stolz, denn nichts schmeichelt einem Mann mehr, als wenn seine Braut seinen galanten Freunden imponiert, «du bist hoffentlich mit meiner Braut einverstanden?»
«Einverstanden? Und wie, bei Gott, lieber Junge! Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Nicki: ich finde, Richards Geschmack hat sich in seinen alten Tagen unermeßlich gebessert. Wenn ich nur an einige dieser Weibsbilder zurückdenke, Richard, mit denen du dich im St. Swithin abgegeben hast... will sagen, verdammt nochmal, wenn ich an... an...»
«Wollen wir gleich essen gehen?» schlug Nicki hilfreich vor.
«Mit dem größten Vergnügen.»
Grimsdyke verbeugte sich und küßte abermals ihre Hand.
«Um eine abgedroschene Redensart zu gebrauchen», sägte Grimsdyke, als wir den biederen englischen Kaffee schlürften, den man im «Ochsen» servierte, «du bist wahrhaft glücklich zu preisen, Richard.» Er tätschelte in väterlicher Weise Nickis Hand, die auf dem Tischtuch lag. «Nicki, ich gestatte mir zu erklären, daß du das hübscheste und reizendste Mädel bist, das mir vorkam, seit ich Vivien Leigh um ihr Autogramm bat.»
«Na, ist das nicht schrecklich nett von ihm, Richard?»
«Und die Vorstellung, daß der gute Richard dich wegschicken und arbeiten lassen kann, sooft er will, erweckt fast den Wunsch in mir, kein eingefleischter Junggeselle zu sein.»
«Ich bin noch mehr glücklich zu preisen», sagte Nicki zu ihm. «Vergiß nicht, auch Richard ist ein eingefleischter Junggeselle.»
«Ach ja», erwiderte er und gab ihrer Hand einen neuerlichen liebevollen Klaps. «Jetzt wird er nicht mehr herumgehen und den Mädels auf die Beine schauen können.»
«Na, ich weiß nicht», unterbrach ich. Ich hatte das Gefühl, daß Grimsdyke die Mahlzeit in ein Tête-à-Tête verwandelte. «Auch der, der die schönste Rose des Gartens gepflückt hat, kann noch immer die Stengel der anderen bewundern.»
Doch Grimsdyke beachtete meine Worte nicht und blickte weiterhin tief in Nickis Augen. «Ich wünsche, daß du mich stets als einen alten, vertrauten Freund der Familie betrachtest», sagte er.
«Was ist eigentlich mit deinem Plan, Grim?» fragte ich mit Nachdruck — denn nun war mir wirklich unbehaglich zumute. Ich gedachte der Zeiten, da mir Grimsdyke mit seinem Charme ein Revuegirl vor der Nase wegschnappte, in das ich bereits den Großteil meines Quartalstaschengeldes investiert
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