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Dr. Gordon wird Vater

Dr. Gordon wird Vater

Titel: Dr. Gordon wird Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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seinen Saal, bei reizloser Kost, und Dr.
Granley-Dickins versenkte sich in ihr unterbewußtes Sexualleben als
Zweijährige. Obgleich einige Fälle Mr. Cambridges sich weiter über Schmerzen in
ihren nicht mehr vorhandenen Mägen beklagten und einer von Dr. Granley-Dickins’
Patienten einen Durchbruch seines Zwölffingerdarmgeschwürs auf der Couch des
Psychoanalytikers erlitt, erwies sich die Klinik als nützlich und wurde sogar
als ein sinnvoller Versuch der Sozialmedizin gewertet. Da es Aufgabe des
Hausarztes ist, dem Patienten, überlebt er eine Operation, die Schnitzer des
Spezialisten wegzuerklären, wurde ich zu ihrem Vertreter erwählt — wohl weniger
um meiner klinischen Talente willen als wegen der persönlichen Freundschaft Mr.
Cambridges, deren ich mich seit mehreren Jahren erfreute.
    An diesem Nachmittag trottete ich die
wohlbekannten Korridore behutsam entlang. Außer einer kurzen
Empfangsbestätigung auf mein Entschuldigungsschreiben hatte ich kein
Lebenszeichen von meinem Paten erhalten; doch ich hielt es für
unwahrscheinlich, daß er nach seinem unerfreulichen halbstündigen Besuch bei
uns schnurstracks wieder nach Herefordshire zurückgekehrt war. Ich hatte
gehört, daß sein alter Ordinationsschreibtisch in sein neues Arbeitszimmer
geschafft worden war; dort saß er jeden Vormittag und rang, starren Blicks über
eine der lieblichsten englischen Landschaften hinwegsehend, mit dem Beginn
seiner Memoiren und dem Schluß seiner Monographie «Spratt und der Grimmdarm»;
doch ich hatte schon im Augenblick, als er sich in den Ruhestand zurückzog, gefühlt,
daß ihm die einsame Kontemplation, die er sowohl sich wie seinen Kollegen
versprochen hatte, nicht leichtfallen würde. Die Medizin ist eine ebenso
gesellige Beschäftigung: wie das Schaffneramt in einem Autobus, und Sir
Lancelot hatte es im St. Swithin so weit gebracht, daß er sich im Haus nicht
bewegen konnte, ohne eine ansehnliche Prozession hinter sich her zu schleifen.
Nachdem ihm ein Leben lang überallhin Anstaltsärzte, Assistenten, Sekretäre,
Schwestern, Studenten und Neugierige aller Art gefolgt waren, die entdecken
wollten, worum das Ganze ging, fand er nun plötzlich niemanden, dem er Eindruck
machen konnte, als seine Nachbarn, niemanden, den er herumkommandieren i
konnte, als seine Obstpflücker, und niemanden, mit dem er sprechen konnte, als
Lady Spratt, die ihn schon seit langem durchschaute. Ich hatte das dumpfe
Gefühl, er schliche im Spital umher und übe dabei dieselbe demoralisierende
Wirkung auf dessen Insassen aus wie der menschenfressende Riese des Märchens
auf das nahegelegene Dorf.
    Die Magenklinik war in einem langen,
kühlen und gekachelten Raum im dritten Stockwerk des Ambulatoriums
untergebracht, den ; zufolge der Tätigkeit eines
bösartigen Architekten ständig appétitanregende Gerüche aus der Küche
durchdrangen. Die wohlvertrauten Wandschirme trennten die Klinik in
verschiedene Abteilungen; dahinter konnte ich beim Eintreten das Gemurmel der
drei Spezialisten vernehmen, die, jeder auf seine Art, sich der geregelten
Verdauung ihrer Patienten annahmen.
    In der einen Ecke stand mein schon stark
hergenommener! Schreibtisch, darauf ein Ständer mit farbigen Formularen und ein
riesiges zinnernes Tintenfaß, das wahrscheinlich seit den Zeiten nicht mehr
benutzt worden war, da Ärzte ihre Rezepte mit der Sorgfalt lateinischer
Elegiker schrieben. Ich schlüpfte in einen weißen Mantel, während ich unsere
recht schnippische Stationsschwester begrüßte, die ihre Schulmilch wohl zur
selben Zeit durch einen Strohhalm trinken gelernt hatte, als ich nach St.
Swithin gekommen war, und rüstete mich für die Probleme meines ersten
Patienten.
    Doch kaum hatte ich mich
niedergelassen, erschien Mr. Cambridge.
    «Ah, da sind Sie ja endlich, Richard»,
rief er sogleich. «Hab mir schon die Augen nach Ihnen ausgeschaut beim Lunch im
Refektorium.»
    «Ich hab heute meinen Imbiß auswärts
eingenommen», erklärte ich. «Hatte eine Verabredung am anderen Ende Londons.»
    «Schwester, ich glaube, Dr.
Granley-Dickins braucht Sie.» Er wartete, bis sie widerstrebend außer Hörweite
gelangt war, und fuhr dann fort: «Haben Sie was dagegen, lieber Junge, wenn ich
Sie bitte, mir in einer Privatsache Gehör zu schenken?»
    «Ich stehe Ihnen selbstverständlich
gerne zur Verfügung», sagte ich bereitwillig.
    Mr. Cambridge schien ungewöhnlich
erregt zu sein. Der beliebteste Spezialist St. Swithins war ein freundlicher,
kleiner, dicker,

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