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Dr. Gordon wird Vater

Dr. Gordon wird Vater

Titel: Dr. Gordon wird Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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wurden, stellte ihn Sir Lancelot auf der
Treppe der ärztlichen Schule.
    «Sie haben also die goldene Medaille in
Chirurgie gewonnen, he, Cambridge?» sprach er ihn unvermittelt an. «Setzen Sie
nicht eine so bescheidene Miene auf, Junge. Hab sie selber eben erst gekriegt.
Was haben Sie jetzt vor?»
    «Ich habe mich um die Fellowship am
Trinity College beworben, Sir», setzte ihm Mr. Cambridge nervös auseinander.
    «Dann ziehen Sie die Bewerbung zurück.»
    «Wie — wie bitte, Sir?»
    «Sie haben ganz gut gehört, was ich
sagte. In Bakteriologie stecken Sie nie was auf, das können Sie mir glauben.
Und kennte ich nicht das, was im Hirn meiner Studenten drinsteckt, besser als
sie selbst, wollte ich nicht einmal Handarbeitsunterricht geben.»
    «Was soll ich denn statt
dessen tun, Sir?» schrie Mr. Cambridge verzweifelt auf.
    «Sich um den Posten meines
Hauschirurgen bewerben. Überlegen Sie sich’s und rufen Sie mich heut abend an.
Aber nicht zwischen acht und neun, sonst verpatzen Sie mir das Dinner.»
    Diese Aufforderung setzte Mr. Cambridge
höchlichst in Erstaunen, schon deswegen, weil ihm Sir Lancelot noch an diesem
Morgen einen bluttriefenden Abstrich an den Kopf geworfen und dazu bemerkt
hatte, er sei genausoviel wert wie eine Kiste voll Korkenzieher für einen
Abstinenzlerverein.
    Tagein, tagaus hielt Sir Lancelot im
Laufe des nächsten Jahres Mr. Cambridge vor, er sei der schlechteste
Hauschirurg, den er je erduldet; dann beförderte er ihn und hielt ihm tagein,
tagaus im Laufe der nächsten zehn Jahre vor, er sei der schlechteste
chirurgische Assistent, den er je erduldet. Dies war die einzige Art, die er
kannte, einer so sanften Persönlichkeit das Rückgrat für die eiserne
Selbstkritik zu stärken, die die einander ablösenden Erfolge und Fehlschläge
einer chirurgischen Laufbahn erfordern; doch dies bewirkte nur, daß seinem
Schüler in seiner Gegenwart stets so zumute war wie den meisten Engländern in
mittleren Jahren, wenn sie ihrem alten Lehrer begegnen.
    Von Sir Lancelots Rolls erblickte ich nichts,
als ich vor Mr. Cambridges Haus einlangte; dagegen stand dessen Bentley da.
    «Ihr Taufpate hat angerufen», erklärte
mir Mr. Cambridge, der selbst öffnen kam. «Er wurde aufgehalten. Vielleicht
nehmen Sie indessen mit einem Glas Sherry vorlieb?»
    Als ich eintrat, sah ich einen
Schiffskoffer in der Diele stehen.
    «Eben aus Hereford eingetroffen»,
setzte mir Mr. Cambridge gefaßt auseinander.
    «Was kann ihn denn zurückhalten?»
fragte ich. «Sonst pflegt er doch Verabredungen pünktlichst einzuhalten.»
    «Eine Komiteesitzung des
Internationalen Chirurgenverbands.»
    «Aber er ist doch ausgetreten!»
    Mr. Cambridge nickte. «Als er sich in
den Ruhestand zurückzog, trat er überall aus — vom Spitalsfußballklub
angefangen bis zum Pantheon. Nun hat er an alle Sekretariate geschrieben und
seine Austritte widerrufen, und niemand scheint den Mut aufzubringen, dagegen
aufzumucken.
    Ich bin natürlich entzückt, wenn dies
bedeutet, daß Sir Lancelot längere Zeit in London zu verbringen gedenkt», fuhr
mein Gastgeber fort, nachdem er eine Karaffe geholt hatte. «Sicherlich
schließen sich alle Herren vom St. Swithin meiner Meinung an. Es ist nur recht
und billig, daß so große Talente, wie sie ihm eigen sind, dem Spital nicht
gänzlich verlorengehen. Obgleich ich gestehen muß, er war recht überrascht, als
er feststellen mußte, daß das Spital auch ohne ihn weiterbestand.»
    In der Tat hatte der Rüdetritt meines
Paten dem St. Swithin den größten Auftrieb gegeben, seit in einer Nacht des
Jahres 1941 der leerstehende und veraltete Block des Ambulatoriums in die Luft
flog. Jedweder Spezialist des Hauses hatte seine kleinen Pläne ausgeheckt, um
sie im milderen Klima, das nach dem Verklingen von Sir Lancelots donnernden
Meinungsäußerungen eingetreten war, liebevoll zu hätscheln, und Mr. Cambridge
selbst hatte fast unmittelbar darauf eine statistische Abteilung ins Leben
gerufen (Sir Lancelot hatte Statistiken für ebenso unverläßlich erklärt wie
Wettervorhersagen), eine Klimaanlage für seinen Operationssaal bestellt (Sir
Lancelot hätte sich daraufhin sofort eine Flasche Parfum angeschafft) und
begonnen, im Chirurgenzimmer Pfeife zu rauchen (Sir Lancelot rauchte nur nach
dem Dinner, und dann nur Havannas).
    «Ich fühle mich geehrt, ihm im Rahmen
meiner Möglichkeiten Gastfreundschaft zu bieten», fuhr der Chirurg fort.
«Obgleich es natürlich gerade jetzt auf einige Schwierigkeiten

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