Dr. Gordon wird Vater
ein
längeres Palaver — er ist nämlich ihr Arzt. Dieses Getue! Alle halben Stunden
Briefe, Anrufe, Telegramme. Und was ist geschehen? Jedermann hat sich geirrt.
Sie wird’s einen Monat verspätet kriegen.»
«Sie kriegt also doch eins!» rief ich.
«Möchte wetten, sie hat ihren Mann mit der Peitsche dazu gebracht.» Dr.
Partridge blickte mich verdutzt an. Ich fuhr fort: «Hat der alte Dove
vielleicht zufälligerweise etwas über Monica Fairchilds Schreibkraft erwähnt?»
«Ihr Sekretär erschien mit einem Brief,
als wir dort waren. Ein Riesenkerl namens Catchpole.»
«Keine Frau?» fragte ich überrascht.
«Unzweifelhaft ein Mann», sagte Ann
Partridge.
17
Am
Nachmittag des folgenden Tages fuhr ich zum letztenmal vor Weihnachten in die
Magenklinik des St. Swithin. Nur wenige Patienten hatten sich
eingefunden; ihre normale Leidensmiene war angesichts der Aussicht, die
Feiertage bei einem Glas Milch und Zwieback zu verbringen, noch vertieft. Die
Krankensäle waren wie üblich üppig mit Papierschlangen und einschlägigen
Fresken, allesamt von den Patienten verfertigt, geschmückt — Weihnachten im
Spital pflegt im allgemeinen einen ungeheuren Aufschwung der Arbeitstherapie
mit sich zu bringen — und die Wände der Korridore dicht mit Plakaten studentischer
Darbietungen behängt worden; da sah man Titel wie «Pathologisches Kabarett»,
«Familienzuwachs im Krankensaal» und «Das Mädchen mit der Leibschüssel sei».
Diese Aufführungen waren gleich den alten Mirakelspielen strenge Tradition;
endlose Jahre schienen verstrichen zu sein, da Grimsdyke, Tony Benskin und ich
fast genau dieselben Vorstellung gen gegeben hatten, wobei ein Fäßchen Bier auf
einer Bahre und etliche Schauspieler «zweiter Besetzung» — falls einer der Darsteller
umfallen sollte, bevor der Vorhang fiel — wesentliche Rollen spielten. Damals
hatten wir das Gefühl, daß sich das Spital noch nie einer solchen Schar
unternehmender, gut erzogener und hochintelligenter Studenten erfreut hatte,
wie wir es waren; und obgleich die jungen Leute, Männlein und Weiblein, die
jetzt in den? Hörsälen längs des Hauptkorridors lärmend ihre Proben abhielten,
zweifellos dasselbe dachten, glaubten wir’s im Grunde unsere Herzen noch immer.
Nach Beendigung der klinischen Arbeit
lud Dr. Pennyworth uns drei auf ein Glas Sherry zu sich ein. Dr.
Granley-Dickins mußte wegen eines Tobsuchtsanfalls in Ealing absagen, doch Mr.
Cambridge und ich fuhren in die Queen Anne Street, wo der Chefinternist ein
elegantes Junggesellenquartier mit einer Sammlung von Bristol-Glas und einem
richtigen Hausdrachen von Wirtschafterin bewohnte. Er war ein zartgebauter,
glatzköpfiger, stiller Mann mit! einem altmodischen Daimler, einem altmodischen
Chauffeur und! altmodischen Manieren; flüsternd machte er seine Runde bei den
Patienten, materialisierte sich wie ein höflicher Geist an ihren Betten und war
wahrscheinlich der letzte Londoner Arzt, der kurzes Gamaschen trug und seine
Rezepte lateinisch verfaßte.
«Ist Sir Lancelot nach Hereford
zurückgekehrt?» fragte Dr. Pennyworth, als wir, rund um das Kaminfeuer
verteilt, unseren! Sherry schlürften , der, wie er,
blasser und trockener war als sonst.
«Er wohnt noch immer bei mir»,
erwiderte Mr. Cambridge: kurz.
«Wirklich?» fragte Dr. Pennyworth
überrascht. «Ich habe in letzter Zeit nicht viel von ihm im Klub gesehen.»
«Glaube nicht, daß er viel Zeit hat, in
den Klub zu gehen. Wie Sie wissen, ist er intensiv mit der Zweihundertjahrfeier
beschäftigt.»
«Er wird doch zu Weihnachten nach Hause
fahren?» fragte ich.
Mr. Cambridge schüttelte den Kopf.
«Aber er wird doch nicht Lady Spratt zu
dieser Zeit des Jahres ganz allein lassen wollen?» zweifelte Dr. Pennyworth.
«Er läßt sie nicht ganz allein»,
entgegnete Mr. Cambridge düster. «Sie begibt sich auf eine Vergnügungsfahrt.»
«Für Lady Spratt eine äußerst
originelle Idee», bemerkte Dr. Pennyworth.
«Es war nicht ihre Idee, sondern
meine», klagte Mr. Cambridge. «Ich sah ein Inserat. In einer Zeitung. Da fiel
mir ein, er könnte für ein paar Wochen in den sonnigen Süden fahren. Für einen
Mann seines Alters durchaus angebracht.»
«Durchaus angebracht», stimmte Dr.
Pennyworth zu.
«Daher schlug ich eine Vergnügungsfahrt
vor. Aber er benützte dies nur als Vorwand, noch länger in London zu bleiben.
Will damit natürlich nicht sagen, daß ich nicht entzückt bin, ihn über
Weihnachten bei mir zu haben. Würde es nicht als
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