Dr. Gordon wird Vater
künstlerischen
Freiheit zu wahren, wogegen Sir Lancelot ungezogen sei, weil er nicht anders
könne.
Daraufhin nannte Sir Lancelot Mr.
McCurdie einen aufgeblasenen Steinmetzen, und Mr. McCurdie Sir Lancelot einen
anmaßenden Beuschelschneider. Es war entsetzlich. Beide hatten völlig die
Herrschaft über sich verloren. Zwei meiner Töchter waren in Tränen aufgelöst,
und unser Hund bellte wie toll. Da standen sie, glotzten einander so knapp ins
Auge, daß sich fast ihre Bärte berührten, und das
alles mitten auf meinem Kaminvorleger. Einen Augenblick dachte ich, es würde zu
einer Schlägerei kommen. Dies wäre ein höchst unwürdiger Anblick gewesen.»
«Und dabei ist Lancelot Mitglied des
Parthenon!» murmelte Dr. Pennyworth.
«Hoffentlich kam schließlich alles in
Ordnung?» fragte ich nervös.
«Meine Frau», erklärte Mr. Cambridge,
«sprang in die Bresche. In solchen Situationen hat sie sich schon bewährt. Sie
erinnern sich vielleicht noch an den Tag, da Sir Lancelot in seinem
Operationssaal diesen schrecklichen Auftritt mit dem Anästhesisten hatte?
Leider muß ich befürchten, daß Celia nicht ganz versteht, was für ein
bedeutender Mann Sir Lancelot ist. Wir erlebten ein oder zwei
äußerst fatale Episoden in unserem
Hause, vor allem wenn er sich über ihre Kochkunst ausließ. Das eine Mal gab sie
ihm eine glühendheiße Gemüseplatte in die Hand — ich fürchte, nicht ganz
unabsichtlich. Aber an diesem Abend, glaube ich, beschämte sie sowohl Sir
Lancelot wie den Bildhauer. Mr. McCurdie ging kurz darauf weg, nachdem er mit
der gerichtlichen Klage gedroht hatte.»
«Dann werden Sie wohl nichts mehr damit
zu tun haben», sag» Dr. Pennyworth aufmunternd.
Mr. Cambridge schüttelte den Kopf.
«Am nächsten Morgen», fuhr er in
tragischem Tonfall fort, «kündigte Sir Lancelot an, er beauftrage seine
Anwälte, gegen Mr. McCurdie die Klage einzureichen — wegen zahlloser Dinge,
angefangen von Vertragsbruch bis zu tätlichen Angriffen. Er kann von nichts
anderem mehr reden und stößt die schrecklichsten Drohungen aus. Er spricht
davon, ein halbes Dutzend der berühmtest« Strafanwälte einzusetzen. Niemand
vermag ihn davon abzubringen, er läßt einen nicht einmal zu Wort kommen. Ich
habe alles versucht, ihn von diesem Schritt zurückzuhalten. Ich machte ihn
darauf aufmerksam, daß dies entsetzlich teuer kommen wird. Und dann —» Mr.
Cambridge schnappte nach Luft. «Dann erklärte er, das Ganze würde vom
Zweihundertjahrfeier-Fonds gezahlt werden. Für den sämtliche Ärzte, die aus dem
Spital hervorgegangengen sind, Beiträge gezeichnet haben. Ich bin überzeugt,
sie wollen ihr Geld nicht für Prozesse gespendet haben.»
«Gewiß wünsche ich nicht, daß meine
dreißig Shilling dafür verwendet werden», sagte ich hitzig.
«Meiner Frau — wollte sagen, mir — lag die
Zweihundertjahrfeier ganz besonders am Herzen. Und nun hat es Sir Lancelot
zustande gebracht, jede einzelne meiner Ideen zu durchkreuzen, und er füllt das
Spital mit ausländischen Chirurgen an, von denen sechs in meinem Haus
einquartiert werden sollen. Ach Gott, ach Gott! Ich weiß nicht mehr, was ich
tun soll. Weiß es wirklich nicht.»
Mr. Cambridge brach unversehens in
einem Fauteuil zusammen und begrub sein Haupt in den Händen.
«Mein lieber Junge! Vielleicht noch ein
Gläschen Sherry?» fragte Dr. Pennyworth alarmiert.
«Wenn ich irgendwie helfen kann —»
Aber Mr. Cambridge hörte uns nicht.
«Und das ist noch nicht alles», fuhr er
fort. Mit glasigen Augen starrte er ins Kaminfeuer. «Noch lange nicht alles.
Ich verüble es Sir Lancelot nicht, wenn er morgens eine Stunde lang im
Badezimmer bleibt. Ich verüble es ihm nicht, wenn er die halbe Nacht in seinem
Zimmer herumpoltert und Judo trainiert. Keineswegs verüble ich es ihm. Ein Mann
von Sir Lancelots Schlag kann sich dergleichen erlauben. Ich verüble es ihm
auch nicht, wenn er unseren Speisezettel vorschreibt, was immer dies kosten
mag. Habe nicht einmal was gegen einmal wöchentlich Schweinsfüße einzuwenden,
wenn es ihn grade danach gelüstet. Ich klage auch nicht darüber, daß er meinen
Töchtern Aufklärungsunterricht gibt. An Hand farbiger graphischer
Darstellungen.»
Schweigend wischte er seine Augengläser
ab.
«Das wirkliche Übel aber», erklärte er
dann gefaßt, «ist das Fernsehen.»
«Ach ja», erinnerte ich mich, «er hat
da Ansichten —»
«Vor einigen Monaten kaufte ich ein
Fernsehgerät», fuhr Mr. Cambridge fort. «Dachte, es würde
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