Dr. House
Schauspieltrainings. Häufig behalten sie einen Schauspieler im Hinterkopf in der Hoffnung, dass sich irgendwann eine geeignete Rolle für ihn findet. Oder jemand spricht für eine bestimmte Figur vor und wird dann ein Jahr später für eine andere engagiert. Bei Janelle Scuderi hing ein Bild von Dave Matthews an der Wand, und sein Name wurde immer mal wieder genannt – bis er schließlich in »Heiligt der Zweck jedes Mittel?« mitspielte. Stephanie Laffin nahm ein zerknittertes, eingerissenes Foto von Zeljko Ivanek von einem Büro ins nächste Büro mit. Auch er wurde letztendlich engagiert: als der verzweifelte Geiselnehmer in »Ultima ratio«.
Das Castingteam hat seine Augen und Ohren überall. Das Team weiß, wer an den Theatern im Londoner West End gerade gefragt ist, und seine Mitarbeiter in New York können dort einen Schauspieler auf Band aufnehmen. Für manche Rollen kommen Hunderte in Betracht. »Darin besteht unsere Arbeit«, sagt Amy Lippens. »Wir lassen uns tolle Schauspieler durch den Kopf gehen und überlegen, wo wir sie unterbringen können.« Das Drehbuch bietet jede Woche eine Vielzahl an Möglichkeiten. Häufig ist das passende Gesicht ein schon vertrautes. Manche Schauspieler, die nun bei Dr. House mitspielen, hat Amy Lippens schon als zwölfjährige Kinder für Filme gecastet. »Mit manchen Leuten arbeiten wir über die Jahre immer wieder zusammen«, erzählt Amy. »Und dann gibt es andere, mit denen wir schon jahrelang arbeiten wollten, und irgendwann ergibt sich mal eine Gelegenheit. Das ist unser Beruf, nicht bloß ein Job. Wir sind schon seit Jahren dabei. Die Schauspieler stehen uns zur Verfügung, bis sie ihre Karriere beenden. Wir überlegen uns bei jeder Staffel gut, wie wir sie besetzen.«
Wie alle anderen auch, bekommt das Castingteam das Skript acht Tage vor Beginn der Dreharbeiten. (Und dafür sind sie dankbar. Sie kennen es von anderen Serien, dass die Drehbücher zu spät kommen und die Besetzung auf der Grundlage von – wenn überhaupt – wenigen Seiten erstellt werden muss.) Ist etwas Ungewöhnliches geplant, werden sie manchmal vorgewarnt, aber es kann sich immer noch alles ändern, bis sie das endgültige Drehbuch in der Hand halten. Dann erst wissen sie, wie viele Schauspieler sie brauchen und was zu beachten ist. Sind Kinder dabei? Kann der Schauspieler mit Schusswaffen umgehen? Sie mussten auch schon jemanden finden, der keine Latexallergie hat und viele Prothesen tragen kann,
oder jemanden, der keine Hunde- oder Katzenhaarallergie hat oder dem es nichts ausmacht, wenn Maden über seinen Körper kriechen.
Oft lässt das Drehbuch alles außer dem Alter einer Figur offen. Es kommt vor, dass eine Männerrolle in eine Frauenrolle umgewandelt wird, oder dass eine Figur zunächst einer bestimmten Ethnie angehört und dann doch von einem Schauspieler mit anderen ethnischen Wurzeln verkörpert wird. Bei anderen Serien ist es genauso: Die Figur des Dr. Ben Gideon in Gideon’s Crossing war von (dem jüdischen Mediziner) Jerome Groopman inspiriert und dann von (dem Schwarzen) Andre Braugher gespielt. Die Rolle, wie sie im Drehbuch steht, ist immer eine Gelegenheit, einen erstklassigen Darsteller zu finden, keine eng gefasste Definition, in die jemand hineingepresst werden muss.
»Wir arbeiten schnell, und wir müssen die Richtung bestimmen, denn viele Abteilungen warten darauf, dass wir ihnen einen tollen Darsteller liefern, damit sie loslegen können. Am Ende sorgen die Cutter dafür, dass alles verwirklicht wird und gesendet werden kann.«
– AMY LIPPENS
Nachdem das Drehbuch auseinandergenommen wurde, beginnen die Gespräche – mit Katie, dem Autor und dem Regisseur. Meist gibt es Änderungen, die die Arbeit des Castingteams betreffen – eine Figur wird etwas älter gemacht, eine andere jünger. Werden die Anforderungen langsam etwas spezifischer, erstellt das Team eine Liste mit möglichen Darstellern. Für eine größere Rolle muss vor dem Regisseur und den Produzenten vorgesprochen werden. Dazu werden höchstens acht Schauspieler pro Runde eingeladen. (Nur potenzielle Stammdarsteller der Serie müssen auch vor den Leuten vom Studio und dem Sender vorsprechen.) Bei einer Liste von zwölf bis fünfzehn reduziert
sich die Zahl automatisch auf etwa acht, weil manche Schauspieler keine Zeit haben. Dann werden die letzten Streichungen vorgenommen, und ein Termin zum Vorsprechen wird festgesetzt.
Es mag überraschen, aber für eine kleinere Rolle, etwa eine
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