Dr. med. Erika Werner
bieten hat … sie wiegen ein Gramm gegen die Zentner des Ekelhaften, das wir mit uns herumschleppen!«
»Danke!«
Professor Berrenrath nickte wieder kurz und verließ den Zuchthaus-OP. Im Nebenzimmer nahm er die Brille ab und putzte sie umständlich. Der Zuchthausdirektor und Dr. Rumholtz standen wartend vor ihm.
»Ich muß sie vierzehn Tage in meiner psychiatrischen Klinik beobachten!« sagte er langsam. »Sie neigt zu manischen Handlungen als komplexe Reaktionen depressiver Schübe. Das muß ich beobachten, um ein klares Bild zu bekommen! Ich werde die Kranke für die Psychiatrie anfordern.«
Dr. Rumholtz straffte sich. »Ich werde das verhindern!« sagte er laut.
»Was fällt ihnen ein?« Professor Berrenrath setzte seine Brille mit einem Ruck auf. Seine Hand zitterte dabei etwas vor beherrschter Erregung. »Sie bilden sich reichlich viel ein, junger Kollege! im übrigen lehne ich es ab, mich weiter mit Ihnen zu unterhalten!«
Grußlos verließ er das Zuchthausrevier, gefolgt von dem Zuchthausdirektor.
Im OP lag die Mörderin Friedel Bartnow noch immer auf dem Tisch, den einen Arm unter den Nacken geschoben.
»Was war denn das für ein Heini?« fragte sie.
»Ein Psychiater.« Erika wusch sich die Hände. Sie hatte sich abgewendet, damit die Mörderin nicht die Tränen sah, die sich in ihre Augen drängten.
»Ach, einer aus der Klapsmühle? Was wollte der denn hier?!«
»Oh, nichts Besonderes.« Erika senkte tiefer den Kopf. »Er will nur der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen.«
Und plötzlich weinte sie. Sie konnte nicht anders.
Es wurde kein Sensationsprozeß. Die Zeitungen zeigten wenig Interesse. Ost-West-Verhandlungen, die Regierungsbildung, Unruhen in Algerien, ein Taifun in Japan mit 4.000 Toten und 30.000 Obdachlosen – das alles war viel wichtiger als der Prozeß gegen einen Arzt, dessen Ruhm noch zuwenig Zeit gehabt hatte, aus den Fachkreisen in die Öffentlichkeit zu dringen. Außerdem würde Professor Bornholm sowieso freigesprochen werden. Mit Sensationen war nicht zu rechnen.
Rechtsanwalt Dr. Plattner hatte in den letzten Tagen vor dem Prozeß jeden Tag mit Erika Werner gesprochen. Immer wieder ging er mit ihr die Taktik durch, die sie anwenden sollte. Nicht auf Bornholm schimpfen. Zurückhaltend, aber sicher auftreten. Vor allem nicht die Nerven verlieren. Darauf würde Bornholm rechnen. Er würde versuchen, sie fertigzumachen. Um dem Gericht dann sagen zu können: Da seht ihr selbst – sie ist krank. Sie weiß nicht, was sie tut.
»Sie müssen ganz ruhig bleiben!« mahnte Dr. Plattner kurz vor dem Prozeßbeginn noch einmal. »Und wenn Bornholm noch so viel Gemeinheiten zum besten gibt, lächeln Sie. Das macht ihn unsicher, das lockt ihn aus der Reserve. Er wird alle Karten auf den Tisch legen! Also: immer lächeln!
Sie sagen zunächst nur, was im Protokoll steht: ich bin unschuldig. Ich habe damals eine falsche Aussage gemacht, um Bornholm zu decken. Dann schildern Sie den Vorfall, wie er war. Nichts weiter! Er wird sagen: Lüge! Sie werden antworten: Es ist die Wahrheit! Dann wird er versuchen, Sie als Kranke hinzustellen, der man kein Wort glauben kann.«
»Und was dann?« fragte Erika kläglich. »Was sollen wir dagegen unternehmen?«
»Untersuchen lassen! Zur Beobachtung in eine Klinik einweisen lassen!« Dr. Plattner rieb sich die Hände. »Wenn seine Behauptung sich als falsch erwiesen hat, glaubt ihm das Gericht die anderen auch nicht mehr.«
»Sie sind so siegessicher«, Erika faltete die Hände, »und ich soll nach dem Zuchthaus nun auch noch in eine Nervenklinik? Mein Gott.«
Dr. Plattner stand auf: Hier war Mitleid nicht am Platz. Was Erika brauchte, war Klarheit.
»Sie vergessen, daß Sie sich das alles selbst eingebrockt haben«, sagte er hart. »Wenn Sie wieder herauswollen aus dem Sumpf, dann müssen Sie selbst auch etwas dazu tun. Ich bin nur Ihr Anwalt und kein Zauberer.«
Vergeblich hatte Bornholm versucht, noch einmal mit Erika zu sprechen. Dr. Rumholtz hatte jeden Besuch verboten. Aus Gesundheitsrücksichten. Einen Brief, den Bornholm darauf an Erika schrieb, übergab der Zuchthausdirektor der Staatsanwaltschaft. Da er nach Zustellung der Anklageschrift geschrieben war, konnte er als Beweismittel verwendet werden.
Bornholm wußte das, aber es störte ihn nicht. So hatte er wenigstens einen Trumpf in der Hand, den er im Prozeß noch ausspielen konnte. Vielleicht war es sogar besser, wenn Erika seine Trennung von Petra erst vor Gericht erfuhr. Um so
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