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Dr. Ohio und der zweite Erbe

Dr. Ohio und der zweite Erbe

Titel: Dr. Ohio und der zweite Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Stichler
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Sie unbesorgt. Wie steht es mit Ihnen?“ Was mache ich da?, fragte er sich im selben Moment und versuchte, seinen Groll zu besänftigen. Was für ein Unsinn, sich mit einem Mann wie Wieri zu streiten. Das konnte zu nichts führen. Deshalb schob er schnell die Frage nach: „Sie suchen also nach dem Buch?“
    „Natürlich“, antwortete Wieri brüsk. „Das hier“, er zeigte auf ein dickes Buch mit einem ledernen Einband, „enthält tatsächlich Informationen aus Genf zur Zeit Calvins. Ich bin mir aber nicht sicher, wie viel davon ernst zu nehmen ist und wie viel nicht. Und über das Buch – von dessen Existenz nach meinem Geschmack inzwischen viel zu viele Leute wissen – steht gar nichts drin.“
    „Sie haben das Buch gemeint, als Sie auf der Beerdigung sagten, Höpfner habe die Mittel, nicht wahr? Ums Geld ging es Ihnen nicht.“
    „Sie sind ein aufmerksamer Zuhörer, Dr. Ohio.“ Wieri starrte den Doktor an, der keine Miene verzog. Plötzlich warf er seine Lupe auf den Schreibtisch.
    „Ach, Doktor. Manchmal ist es zum Verrücktwerden!“, rief er und hob die Hände, scheinbar in einem Anfall plötzlicher Verzweiflung. „Die vielen Bücher ... und nur eines davon enthält die wahre Lehre. Ich muss es finden, das ist die mir von Gott zugeteilte Aufgabe, ich weiß es. Aber manchmal denke ich, es geht über meine Kraft. Ich bin inzwischen fast sicher, dass das Buch gar nicht hier ist, dass hier bestenfalls Hinweise auf den Aufbewahrungsort zu finden sind.“ Er senkte die Stimme. „Manchmal habe ich auch schon an seiner Existenz gezweifelt. Aber nachdem Höpfner das Buch in seinem Testament erwähnt hat, weiß ich, dass es da ist. Irgendwo. Das war ein Zeichen. Und ich muss es finden. Hier. Da draußen ...“ Er war aufgesprungen und fixierte Dr. Ohio mit fiebrigen Augen. Dann, als würde Luft aus ihm entweichen, ließ seine Spannung nach und er setzte sich wieder.
    „Sie können das nicht verstehen. Das Buch wäre beides, spiritueller und finanzieller Gewinn. Wobei es mir ausschließlich um die Spiritualität geht“, beeilte er sich zu sagen. „Um die Buchhandlungen unseres lieben Höpfners wird sich Dr. Laudtner kümmern. Für mich ist die Bibliothek das Einzige, was sich lohnt. Sie wird in die Stiftung einfließen, deren Leiter ich sein werde.“
    „Und Dr. Laudtner“, ergänzte Dr. Ohio.
    „Pah.“ Wieri winkte ab. „Der ist doch nur am schnellen Geld interessiert. Aber Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich Ihnen keinen Erfolg wünsche bei Ihrem Vorhaben, die Erben zu finden.“
    Dr. Ohio lachte und begab sich zu Höpfners Schreibtisch. Er hatte sich schon gedacht, dass Wieri nicht sehr viel von Laudtner hielt. Es kam ihm so vor, als sei der Anwalt lediglich Mittel zum Zweck für den Calvinisten. Aber wahrscheinlich ist das bei Fanatikern immer so, dachte er. Und dass Wieri ein Fanatiker war, stand für Ohio außer Zweifel.
    Er hatte von der Haushälterin eine Reihe von Schlüsseln erhalten, die unter anderem zum Schreibtisch und ein paar Schränken passen sollten. Ohio probierte sie der Reihe nach am Mittelfach des Schreibtischs aus. Schließlich passte einer. Die Lade ging beinahe geräuschlos auf. Eine Zeit lang starrte Dr. Ohio auf den Inhalt. Das bleibt also tatsächlich übrig vom Leben, dachte er. Ein paar Briefe, angenagte Stifte, Zettel und Ordner. Er zog die Schublade weiter auf. Und eine Pistole, dachte er stumpf weiter und saß da wie gelähmt. Höpfner hatte im hinteren Teil der Schublade eine Pistole deponiert. Sie war nur notdürftig in einen öligen Lappen gewickelt und glänzte metallisch-schwarz im dumpfen Schreibtischlicht. Schnell schob Ohio die Schublade wieder ein Stück zu. Sollte er die Pistole wegen ihm gekauft haben?, schoss es ihm durch den Kopf und er warf einen Blick hinüber zu Wieri. Der saß mit dem Rücken zu ihm wieder über seinen Büchern und krakelte ab und zu in seinem Heft herum.
    Ohio spürte sein Herz klopfen, sagte sich aber gleichzeitig, dass es Unsinn sei. Viele Menschen hatten wahrscheinlich eine Pistole, und wenn sie, so wie Höpfner, fast allein in einem abgelegenen Haus lebten, war das auch nicht verwunderlich. Man musste sich schützen. Fragt sich nur, vor welchem Feind.
    Dr. Ohio hatte systematisch alle Schreibtischtüren und Schubladen geöffnet und die Briefe und Schriftstücke überflogen, von denen er sich weiteren Aufschluss über Höpfners Familie und die beiden Erben versprach. Er saß gerade noch an einem Brief, als Wieri seine

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