Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dr. Ohio und der zweite Erbe

Dr. Ohio und der zweite Erbe

Titel: Dr. Ohio und der zweite Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Stichler
Vom Netzwerk:
die Herren stets zu größter Diskretion neigten. Schließlich war der eine oder andere von ihnen verheiratet.
    Laudtner schloss also in froher Erwartung eines feuchtfröhlichen Abends die Tür ab, als direkt in seinem Rücken ein Zischen ertönte, das an eine große, erkältete Schlange erinnerte.
    „Er hat sie.“
    Der Anwalt zuckte erschrocken zusammen und fuhr herum.
    „Mein Gott, Herr Wieri.“ Wieri trat aus dem Schatten der Häuserfront. „Sind Sie verrückt geworden?“
    „Er hat sie“, stieß Wieri noch einmal mit nur mühsam unterdrückter Erregung in der Stimme hervor.
    „Wer hat wen?“ Laudtner hatte sich schnell wieder im Griff.
    „Na, der verdammte Japaner hat die Erben gefunden. Ich habe Ihnen doch gesagt, wir dürfen den Kerl nicht so ohne weiteres in Höpfners Sachen rumstöbern lassen.“
    Laudtner sah sich schnell in der Gasse um. Immer noch war kein Mensch zu sehen. Nur im Antiquariat, das wenige Häuser von der Kanzlei entfernt lag, brannte noch Licht. Hastig schloss Laudtner die große Glastür, die zu den Büroräumen führte, wieder auf.
    „Nicht hier auf der Straße.“ Das Idyll der engen Gässchen und zusammengekauerten Häuschen hatte auch seine Nachteile. Hier hatten die Wände Ohren und die Häuser verschlafene, aber immer wache Augen. „Kommen Sie rein.“ Er führte Wieri in sein Büro im ersten Stock und knipste eine kleine Tischlampe an. Sie beleuchtete den Schreibtisch und warf ein undeutliches Licht auf die Schränke und Regale an den Wänden.
    „Es sind Zwillinge. Der eine sieht zwar etwas debil aus, aber es sind Zwillinge. Ich habe jetzt keinen Zweifel mehr, dass er sie aufspürt“, fuhr Wieri fort. „Und ich brauche Ihnen wohl nicht zu erklären, was es bedeutet, wenn auch nur einer der beiden in der Lage ist, das Erbe anzutreten.“
    „Eine etwas seltsame Formulierung“, sagte der Anwalt lächelnd und bot seinem Besucher einen Stuhl an. Wieri winkte ab.
    „Ich weiß nicht, was genau für Sie daran hängt, die Stiftung zu gründen, aber es wird was Dringendes sein. Also tun Sie nicht so, als würde Sie das überhaupt nichts angehen. Warum sollten Sie mir sonst alle diese Informationen zuspielen? Sie hätten mich am ausgestreckten Arm verhungern lassen können. Aber nein, Sie füttern mich schön mit Informationen. Sie geben mir den Hinweis auf die Stiftung, Sie beruhigen mich in Bezug auf die Bibliothek, wegen dieses verdammten Doktors und wegen der Erbschaft. Ihre Gründe waren mir bisher scheißegal. Aber ich will, dass Sie was tun. Ich sehe meine Felle davonschwimmen. Und Ihre bleiben dann auch nicht trocken.“
    „Das ist schon richtig, lieber Wieri“, sagte der Anwalt liebenswürdig. „Nur hilft es uns auch nichts, wenn wir uns gegenseitig anbrüllen. Sie können sicher sein, dass ich die Sache nicht auf die leichte Schulter nehme. Ich gebe zu, dass ich mich verkalkuliert habe. Ich hätte nicht gedacht, dass sich der Japaner die Mühe macht, tatsächlich Höpfners Unterlagen zu durchstöbern.“
    „Sie haben gedacht, Sie können alles einstreichen, ohne einen Finger zu rühren.“
    Laudtner lächelte.
    „Und wenn? Das ist doch legitim.“
    „Legitim“, machte Wieri den Anwalt nach und verzog abfällig den Mund.
    „Ist nicht weltlicher Wohlstand bei den Calvinisten auch ein Zeichen dafür, dass man zu den Gotteskindern gehört?“, fragte Dr. Laudtner süffisant. „Sehen Sie sich um.“ Er machte eine Geste mit der Hand und wies auf die luxuriöse Ausstattung seines Büros mit dem feingliedrigen Mahagonischreibtisch, den Ledersesseln in der Sitzecke für Besucher, dem weichen Teppich, der alle Geräusche von Schritten kommentarlos erstickte wie ein Mull- und Watteknebel die Schreie eines Entführungsopfers. Wieri zuckte mit den Schultern.
    „Es gehört schon noch etwas mehr dazu, Dr. Laudtner“, sagte er verächtlich. „Und auch den Calvinisten ist bekannt, dass der Schein oft trügt.“ Bei Dr. Laudtner war er sich nur in einem sicher: dass der Sündenfall den Menschen tatsächlich völlig verdorben hatte. „Ihre Kanzlei führt seit Jahren Höpfners Geschäfte“, fuhr er fort. „Ein Glücksfall, kein Verdienst. Und die Spatzen schreien es von den Dächern, dass die Buchhandlungen bald pleite sein werden. Es ist vielleicht Höpfners Schuld. Aber die Ihre mindestens genauso. Ich will nicht wissen, wohin das viele Geld geflossen ist, das Sie an ihm verdient haben.“
    Unwillkürlich befeuchtete Laudtner seine Lippen mit der Zunge.
    „Ich muss

Weitere Kostenlose Bücher