Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dr. Ohio und der zweite Erbe

Dr. Ohio und der zweite Erbe

Titel: Dr. Ohio und der zweite Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Stichler
Vom Netzwerk:
Dämpfe des Brandes.
    Draußen setzte er sich ins nasse Gras und rang nach Luft. Wieder fühlte er Tränen aufsteigen und sah nach oben in die warmen Regentropfen, die aus dem hellgrauen Himmel gleichmäßig auf ihn niederfielen. Sie vermischten sich mit seinen Tränen und er schmeckte das verdünnte Salz, leckte es mit der Zunge von seinen Mundwinkeln. War er der Fehler? War er unfähig? Oder hatte er etwa den falschen Schluss gezogen und all die Menschen, die er auf dem Gewissen hatte, waren gar nicht für die gute, gerechte Sache gestorben? Nur langsam wich die Schwärze vor seinen Augen wieder der grauen Farbe des Himmels. Gott, hilf mir, dachte er. Er sah mit großen Augen traurig um sich – wie nach schwerer Krankheit.
    Er konnte Dr. Ohio, Erika und Boris nicht entdecken. Sie waren geflüchtet. Aber er wäre nicht Värie Wieri gewesen, wenn er nicht die Kraft gefunden hätte, die Dinge wieder ins richtige Licht zu rücken. Denn das, ging ihm auf einmal auf, war seine letzte Chance. Wären die drei hiergeblieben, dann gäbe es keine Möglichkeit mehr, an sie heranzukommen. Aber so musste er sie nur in diesem Wald oder im nächsten Ort ausfindig machen, um seine Aufgabe doch noch zu Ende zu bringen. Gott hatte ihn nicht verlassen. Er prüfte ihn nur hart, wie schon so oft. Und Wieri war entschlossen, diese Prüfung endgültig zu bestehen.
    Nachdem Wieri seinen Rucksack aus dem hinteren Zugabteil geholt hatte, stapfte er los. Er ging denselben Weg zum Wald, den auch Dr. Ohio, Erika und Boris genommen hatten.
    Die drei saßen immer noch an derselben Stelle zwischen den nicht sehr dicht stehenden Bäumen, kaum 20 Meter innerhalb des Waldes, als Wieri auftauchte. Erika entdeckte ihn als Erste. Sie sah ihn klein, nass und blass den schmalen Pfad am Waldrand entlangstapfen.
    „Doktor“, flüsterte sie tonlos.
    „Was ist de...?“, fragte Ohio laut. Er sah sich Boris’ Augen an, die ziemlich rot, aber nur leicht geschwollen waren. Ohio verstand nicht viel davon, aber er schien Glück gehabt zu haben. Noch bevor er das letzte Wort gesprochen hatte, drehte sich Erika um und hielt ihm den Mund zu.
    „Psst“, flüsterte sie. „Da vorne.“ Langsam löste sie ihre Hand und zeigte auf die schmale Gestalt, die da am Waldrand entlangging.
    „Wieri“, sagte Dr. Ohio atemlos. „Das ist ...“ Er war überzeugt davon gewesen, dass Wieri hinter den Anschlägen steckte. Aber ihn jetzt leibhaftig keine hundert Meter weit weg den Waldweg entlanggehen zu sehen, war wie ein Schock für ihn. Er starrte sprachlos, zu keiner Regung fähig, auf den völlig durchnässten Mann.
    „Kommen Sie. Nichts wie weg hier“, flüsterte Erika. Nicht auszudenken, wenn er sie hier finden würde. Er würde mit ihnen allen kurzen Prozess machen, und wenn es gut lief, würden ihre Leichen in ein paar Jahren entdeckt werden. Aber Boris hielt sie auf. Er hatte sich auf die Ellbogen gestützt und sah Wieri nach.
    „Nicht bewegen“, krächzte er heiser. „Jede Bewegung und jedes Geräusch könnten ihn auf uns aufmerksam machen. Wenn wir einfach ruhig sind und stillhalten, entdeckt er uns nicht. Er geht ja nicht mal in unsere Richtung.“
    Erika und Ohio sahen sich an. Boris hatte recht. Also duckten sie sich, blieben mit angehaltenem Atem zwischen den Bäumen sitzen und ließen den kleinen Calvinisten nicht aus den Augen, bis er weit weg hinter einer Biegung verschwunden war. Wieri wandte keinen Blick von dem schmalen Pfad. Nur ein-, zweimal war er stehen geblieben, um mit zusammengekniffenen Augen den Weg entlang nach vorne zu schauen. Unbeirrt folgte er seinem Pfad, wie er das immer getan hatte.
    Sobald Wieri außer Sicht war, rafften sich Dr. Ohio und Erika auf. Boris hatte sich so weit erholt, dass er mit ihrer Unterstützung leidlich gehen konnte. Sie bahnten sich einen Weg mitten in den Wald hinein und gingen eine Zeit lang abseits von allen befestigten Wegen, um nicht doch zufällig auf Wieri zu stoßen. Der Wald war nicht allzu dicht und sie kamen ganz gut voran. Boris erzählte in kurzen, abgehackten Sätzen, dass er das Fenster der Toilette einen Spaltbreit hatte öffnen können, um frische Luft zu bekommen. Ansonsten wäre er sicher erstickt ...
    „Dass ich überhaupt da reingegangen bin ...“ Er blieb stehen, um Atem zu schöpfen, und schüttelte ärgerlich den Kopf. „Früher wäre mir das nicht passiert.“
    „Sprechen Sie nicht so viel“, sagte Dr. Ohio angestrengt und blickte konzentriert auf den Waldboden. Boris hing schwer

Weitere Kostenlose Bücher