Dr. Sex
ich brauchte einen Eheberater, und dabei war ich noch nicht mal verheiratet. Und auch was Mac betraf, war ich mehr als nur ein wenig beklommen. Sie hatte uns, wie Prok, ihren Segen gegeben und hätte nicht aufgeregter sein können, wenn eines ihrer eigenen Kinder geheiratet hätte. Ich fragte mich, wie ich nun umkehren und ihr sagen sollte, die Sache sei abgeblasen, und zwar wegen der Dinge, die wir getan hatten – im Garten, auf dem Bugholzsofa im Wohnzimmer, im Ehebett im ersten Stock. Da stand ich nun. Ich war mir undeutlich der Tatsache bewußt, daß rings um mich her das Leben pulsierte, daß Insekten sich auf Blüten niederließen und die Spatzen in ihren Nestern unter den Dachbalken tschilpten, und ich holte tief Luft und legte den Finger auf den Klingelknopf.
Mac öffnete. Sie trug Khakishorts, die dazugehörige Bluse mit dem auf die Brusttasche gestickten Pfadfinderabzeichen, darüber eine Strickjacke. (Im Haus war es um diese Jahreszeit kühl, denn der stets sparsame Prok schaltete jedes Jahr am i. April die Heizung aus, ganz gleich, wie das Wetter war – eine Gewohnheit, die ich übrigens übernommen habe. Warum Brennstoff verschwenden, wenn der Körper doch seine eigene Wärme erzeugt?) Sie war in der Küche gewesen und hatte Gemüsesuppe gekocht und Wurstbrote für die Kinder gemacht, und sie hatte gedacht, es sei der Briefträger, ein Nachbar oder ein Vertreter – irgend jemand eben, nur nicht ich. Ich sah das Erkennen in ihren Augen und dann das Überlegen: Wieviel Zeit blieb noch, bevor sie die Schritte der Kinder auf dem Weg zur Haustür hören würde? Genug, um mich ins Haus zu zerren und mir die Kleider vom Leib zu reißen? Genug für einen schnellen Orgasmus, bei dem die Shorts um ihre Knie hingen und die Bluse bis zum Hals hochgeschoben war?
»Hallo«, sagte ich und machte wohl ein recht bedrücktes Gesicht, denn sogleich verschwand der kokette Ausdruck in ihren Augen. »Hast du ... Darf ich kurz reinkommen?«
Sie sagte meinen Namen, als würde sie schlafwandeln, und öffnete die Tür weit, um mich einzulassen. »Stimmt was nicht?« fragte sie. »Was ist los?«
Ich stand da und schüttelte den Kopf. So verzweifelt wie in diesem Augenblick war ich wohl noch nie.
Mac wußte, was zu tun war. Sie führte mich in die Küche, schenkte mir eine Tasse Tee ein und gab mir vom Mittagessen der Kinder so viel, wie sie entbehren konnte. Ich sah ihr zu, während sie sich zwischen Herd, Arbeitsfläche und Eisschrank hin und her bewegte – ein Ballett häuslichen Friedens –, und schüttete ihr mein Herz aus. Ich weiß noch, daß von einem Haus in der Nachbarschaft, wo eine Garage gebaut wurde, Hammerschläge erklangen. Das Geräusch schien die Dringlichkeit – und die Hoffnungslosigkeit – der Situation zu unterstreichen. »Ich weiß nicht, was ich machen soll«, sagte ich, und der Hammer pochte dumpf und schlug dann einen schnellen Wirbel.
Bis dahin hatte Mac, abgesehen von kurzen Einwürfen – »Und dann?«, oder: »Willst du Senf, John?« –, nicht viel gesagt, und ich hatte unvermittelt das Gefühl, daß sie irgendwie eifersüchtig war, eifersüchtig auf Iris und das, was sie mir bedeutete. Mac spielte ihre Rolle als pflichtbewußte Frau des bedeutenden Wissenschaftlers, als selbstlose Gefährtin, Köchin und Mutter perfekt, doch ich fragte mich, was sie wirklich empfand. Was sie für mich empfand, wie sie unsere Beziehung sah und wie diese Sache sich auf die Beziehung auswirken würde oder sich bereits ausgewirkt hatte.
»Sollte ich ... Ich meine, findest du, daß ich derjenige sein sollte, der ...?« Ich wollte, daß sie mir sagte, ich solle zu Iris gehen und alles wieder ins Lot bringen, daß sie mir sagte, es werde für alle Beteiligten das beste sein, wenn ich aufrichtig war und die Karten auf den Tisch legte, aber ich redete wie immer um den heißen Brei herum.
Mac setzte sich mir gegenüber an den Tisch und schenkte sich eine Tasse Tee ein. Sie beugte sich vor, blies den Dampf weg und rührte mit einem Löffel in der dunklen Flüssigkeit. »Bist du dir sicher, daß du sie liebst, John?« fragte sie.
Ja, ich liebte sie, dessen war ich mir sicher, und es würde nicht das erste Mal sein, daß ich es Mac sagte, aber dort, in der von sanftem Sonnenlicht durchfluteten Küche, wo wir auf den Linoleumfliesen vor dem Herd miteinander geschlafen hatten, war es mir unangenehm, es zuzugeben.
»Ja«, sagte ich, und der Hammer schlug zweimal zu, »ja, ich bin mir sicher.«
Sie dachte lange darüber
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