Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
Kleidungsstück jeden Moment mitsamt seinem Träger abheben und sich in die Schlucht stürzen.
Wie nah Murnauer tatsächlich am Saum der Schlucht stand, bemerkte das kleine Grüppchen erst, als sie bei ihm angelangt waren. Der Rand des Abgrunds, der mehrere hundert Meter steil in die Tiefe abfiel, schloss direkt mit den Spitzen seiner teuren Wildlederschuhe ab.
Als Murnauer endlich auf die wiederholte Meldung des Soldaten reagierte, der den kleinen Trupp zu ihm gebracht hatte, und sich zu den Ankömmlingen umdrehte, schien sein Blick wie aus weiter Ferne zu kommen. Er musterte Antonia, Martin und den alten Mann mit dem Ausdruck milder Neugier und amüsierten Unverständnisses, so als sinniere er seit Tagen über die Pointe eines komplizierten Witzes, und sei kurz davor, sie endlich zu begreifen. Als sein Blick jedoch an Singer hängen blieb, änderte sich seine Miene schlagartig, so als hätte jemand in seinem Gehirn einen Schalter mit Wucht umgelegt.
Die dichten Brauen senkten sich in der Mitte seiner krausen Stirn und der unstete Blick seiner blutunterlaufenen Augen wurde plötzlich intensiv und unangenehm starrend. Seine Mundwinkel fielen reflexartig nach unten und legten zuckend seine Schneidezähne frei. Es war der Anblick eines tollwütigen Tieres, das die Zähne fletscht. Doch diese Fratze hielt sich nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann fiel sie in sich zusammen wie ein Kartenhaus.
Murnauer setzte die übliche Maske geschäftiger Arroganz auf, getrübt lediglich durch seine Pupillen, die wie dunkle Wassertümpel in der verhärmten Landschaft seines bleichen, teigigen Gesichts lagen. Schmutzige Wassertümpel über dunkel angeschwollenen Augenringen.
Murnauer hatte noch nie besonders sympathisch ausgesehen. Oder besonders gesund. Aber der Anblick, den er ihnen jetzt bot war überaus verstörend. Singer verstand nur zu gut, warum es der Soldat vermied, seinem Vorgesetzten direkt in die Augen zu schauen – es war ein Blick in den Abgrund, mindestens so tief wie der, über dem ihre kleine Versammlung gerade stattfand. Und wahrscheinlich genau so tödlich.
Murnauer schüttelte sich beiläufig, als bemerke er erst jetzt die eisige Kälte, die hier oben, auf dem zugigen Felsplateau herrschte, dann wandte er sich in einem seltsam verwaschen klingenden Plauderton an Singer.
»Dr. Singer. Wie schön, dass Sie doch noch zu unserer kleinen Party kommen konnten. Offenbar wollen Sie sich wenigstens an den Aufräumarbeiten der kleinen Ferkelei beteiligen, die Sie durch Ihre Unachtsamkeit verursacht haben. Wie löblich«, sagte er mit einem milden Lächeln, und klopfte Singer kameradschaftlich auf die Schulter. Er wirkte dabei regelrecht vergnügt.
Singer hielt es nicht für nötig, auf diese erneuten Anschuldigungen zu antworten. Nicht wenn der Mann, der sie aussprach, mehr als tausend Tote neckisch als ‘kleine Ferkelei’ und ein amoklaufendes Monster als ‘Unachtsamkeit’ bezeichnete, davon abgesehen, dass er ihm die ganze Sauerei auch noch in die Schuhe schob. Stattdessen wartete er ab, was sein Ex-Chef als Nächstes sagen würde. Und er dachte plötzlich wieder an das TNT, das vielleicht noch immer im Jeep lag. Die Soldaten hatten sie zwar nach Waffen durchsucht, das Innere des Jeeps schien sie allerdings gar nicht interessiert zu haben. Wenn sie nur eine kleine Chance bekämen …
Zunächst hatte Murnauer jedoch andere Pläne. »Wissen Sie was, Singer?«, sagte er und unterdrückte ein Kichern, »… wissen Sie was, mein Junge? Wo Sie schon einmal da sind, sollen Sie auch sehen, warum Sie eigentlich die lange Reise auf sich genommen haben. Wie Sie erkennen«, und dabei deutete mit einer ausladenden Geste auf
Weitere Kostenlose Bücher