Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
Singer-Lächeln lächelte. Sie tropften auf Antonias weiche Locken. Er spürte nichts davon. »Es muss so sein. Denn wenn ich eines weiß, dann, dass nichts, auch nicht das Geringste, jemals ohne Sinn geschieht.«
Antonia nickte stumm. Sie hatte verstanden.
»Es wäre sonst zu grausam«, flüsterte sie kaum hörbar gegen seine Brust und Singer nickte, sein stoppeliges Kinn kitzelte auf ihrem Kopf, als er das tat. Dann presste er seine Tochter fest an sich.
»Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch, Paps.«
Es waren starke Worte und sie waren wahrhaftig. Und das war gut so, denn es waren die letzten Worte, die sie miteinander wechseln sollten.
Blut
E ine ganze Weile standen sie so da, Antonia schaute blicklos auf das Altarkreuz und vor Singers Blick gerannen die Ereignisse in der Dunkelheit vor dem Fenster erneut zu einem schwarzen Brei. Das Geschenk, das der Draakk in seinem Kopf zurückgelassen hatte. Er schloss die Augen für einen Moment. Nicht, dass es an der Finsternis das Geringste geändert hätte. Schließlich riss er sich zusammen, wischte seine Tränen fort, und ihre Umarmung löste sich.
Und dann überstürzten sich die Ereignisse in der kleinen Kirche, alles geschah irgendwie fast zeitgleich. Für Singer wirkte es dennoch wie ein ferner Film, der in Zeitlupe abgespielt wird.
Ein Poltern, gefolgt von einem Schrei, erschallte aus dem Chorraum hinter dem Altar. Singer fuhr herum und sah Martin aus dem Gang hervortaumeln und hinter ihm Christian, der seinen Arm mit der geschienten Hand um den Hals des schlaksigen, älteren Jungen geschlungen hatte. Seine Finger schienen ihm plötzlich überhaupt nicht mehr weh zu tun. Es wirkte fast wie ein Spiel unter ungleichen Brüdern, kaum mehr als eine freundschaftliche Kabbelei.
Wenn da nicht das Messer in Christians Hand und der verbissene Ausdruck auf dem teigigen Puppengesicht gewesen wäre, in dem sich das verzerrte Lächeln wie ein garstiger Parasit festgesetzt hatte. Das Lächeln, das er seit über einer Stunde nahezu unverändert gelächelt hatte.
Das Messer erkannte Singer als jenes aus dem Camping-Essbesteck aus seiner Tasche. Es war nicht besonders lang und an sich wenig furchteinflößend. Das musste es auch nicht sein, denn es war spitz und ausgesprochen scharf, in jedem Fall ausreichend für seinen momentanen Zweck. Christian presste das Schneidwerkzeug an Martins Kehle, direkt unter dessen aufgeregt hüpfenden Adamsapfel, von wo ein dünner Blutfaden seinen Hals herabrann und im Ausschnitt seines T-Shirts verschwand. Er zwang den etwas größeren und kräftigeren Jungen zu einem gebückten Gang, der ihn watscheln ließ wie eine große Ente. Seine Finger hatte er in einem bizarren Winkel vom Körper weggestreckt, und wäre der verwirrte und wütende Ausdruck in seinen Augen nicht gewesen, hätte man meinen können, die beiden führten irgendeine absurde Figur in einem Ratespiel auf. Was bin ich, hm? Ich bin die Ente, die gleich ihren Kopf verliert. Ha ha.
Antonia verfolgte die Szene am Altarkreuz mit weit aufgerissenen Augen, den Mund zu einem stummen Schrei geöffnet, der sich nicht von ihren Lippen lösen wollte.
Lena lief aufgeregt, in einem seltsam zappeligen Gang, neben dem verkrampften Duo her, unschlüssig, ob sie eingreifen oder einfach davonlaufen sollte. Ihre Hände hatte sie vor Mund und Nase gepresst und zwischen ihren gespreizten Fingern hindurch verfolgten ihre weit aufgerissenen Augen den seltsamen Tanz der beiden. So musste das Mädchen aussehen, schoss es Singer durch den Kopf, wenn es auf der Couch saß und der Märchenfilm eine gruselige Stelle erreicht hatte. Etwa, wenn die böse Hexe in ›Schneewittchen‹ zum ersten Mal auftaucht. Oder diese fliegenden Affen im ›Zauberer von
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