Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
eine neue Spezies.«
»Eine neue … ?«, schnappte Singer. Und hasste sich im selben Moment dafür.
»Eine neue Spezies, ja.« Wieder eine dieser unheilschwangeren Pausen. Murnauer musste diese daheim vor dem Spiegel geübt haben, sie funktionierten jedenfalls prächtig.
»Sie sind nicht der Einzige auf Ihrem Gebiet, wissen Sie? Eine Menge junger, mindestens ebenso talentierter Wissenschaftler sägt hier bereits mit Freuden an Ihrem Stuhl …«
Singer schwieg weiterhin. Dieses sonderbare Gespräch lief offenbar auch ohne seine direkte Beteiligung ganz hervorragend.
»Sie sind momentan die Nummer eins in der Zoologie, das wissen Sie genauso gut wie ich. Aber auch Sie sind nicht unersetzbar. Lassen Sie das Institut jetzt hängen und ich besorge noch heute Abend die Nummer zwei! Und nach diesem Job wird derjenige die neue Nummer eins sein. Verstehen Sie?«
Ja, das verstand er sogar ziemlich gut.
»Und Sie …« fuhr Murnauer fort, » … nun ja, ich bin sicher, irgendeine Kleinstadt-Uni wird Sie vielleicht einstellen, damit Sie Ihre Forschungen in einem Labor auf dem technischen Stand der frühen Siebziger fortsetzen können, wenn ich sie erst achtkantig aus dem Institut geschmissen habe.« Er senkte die Stimme. »Was ich wahrscheinlich ohnehin längst hätte tun sollen.«
Murnauer wertete Singers anhaltendes Schweigen offenbar als Zustimmung.
»Wie auch immer, Singer. Es ist jetzt zweiundzwanzig Uhr vierzig. In exakt zehn Minuten wird Sie ein Wagen auf dem Parkplatz vor der Lobby abholen. Seien Sie pünktlich.« Ohne Singers Antwort abzuwarten, legte der Institutsleiter auf.
Ihnen auch einen schönen Abend, Professor.
Singer hielt den Hörer noch eine Weile in der zitternden Rechten, bevor er ihn mit voller Wucht auf das schmucke Telefon auf seinem Nachttisch knallte. Ein kleines Stück lackiertes Holz platzte vom Hörer ab und flog aufs Bett. Singer unterdrückte einen kurzen Impuls der Bestürzung. Steiner würde sich seinen Teil denken können und das Telefon dem Institut in Rechnung stellen. Auch gut. Grimmig hoffte er, dass der verdammte Apparat mindestens doppelt so teuer war, wie er aussah.
Singer schnappte sich seine Tasche, warf sie seufzend über die Schulter und fuhr zwei Minuten später in dem geräumigen Fahrstuhl nach unten.
Er brauchte dringend einen starken Kaffee. Besser zwei.
Er bestellte sich an der Bar einen doppelten Espresso, mit dem er zurück in die Lobby schlenderte. Bis auf zwei Vertreter, die sich gegenseitig frei erfundene Verkaufsgeheimnisse und Anekdoten auftischten, und den unvermeidlichen Eisernen Steiner war der Eingangsbereich leer.
Nein, doch nicht ganz. An der Säule vor dem Ausgang saß eine junge Frau in einem der tiefen Ledersessel, deren Erscheinung so gar nicht in das gediegene Ambiente des Hyatt passen wollte. Sie mochte eine Studentin sein, von dem ausgeblichenen Armeeparka und ihren schmutzigweißen Turnschuhen zu schließen. Das Mädchen war zur Gänze in die Lektüre einer zerfledderten Ausgabe von »Die Abenteuer des Sherlock Holmes« vertieft. Als Singer versuchte, den Titel zu entziffern, sah sie auf und lächelte ihn flüchtig an, bevor sie sich wieder ganz auf ihr Buch konzentrierte. Versunken in die Betrachtung ihrer langen schlanken Beine in den abgewetzten und eine Winzigkeit zu kurzen Jeansröhren, lehnte sich Singer an den Tresen der Rezeption.
Steiner blickte ihn wie stets aus aufmerksamen, aber völlig wertneutralen Augen an: »Gehen der Herr heute Abend noch aus?«
»Sozusagen. Die Pflicht ruft.«
»Sehr wohl, der Herr.« sagte Steiner mit der Andeutung eines unverbindlichen Lächelns.
In dem Moment trat der Page, der vor dem Eingang des Hotels Dienst tat, in die
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