Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
endgültig durchbrochen worden. Für immer.
Eine Weile kroch er leise vor sich hin stammelnd an der Basis der Treppenflucht herum, betastete mehrfach den Boden und das Metallgeländer – unfähig, diese simplen Eindrücke zu verarbeiten. Unfähig, in das zurückzufinden, was er bisher für die unverrückbare Realität gehalten hatte. Er versuchte instinktiv, von der Hangartür wegzukriechen, auf allen Vieren, denn er war zu schwach, um aufzustehen und davonzu laufen . Nachdem er die letzten unverdauten Reste der Nussmischung hervorgewürgt und eine unansehnliche Pfütze am Fuße der Treppe produziert hatte, war nur noch hellgrüne Gallenflüssigkeit gekommen. Irgendwann wurden die Pausen zwischen den Würgeanfällen, die seinen kraftlosen Körper schüttelten, länger und verebbten schließlich ganz.
Singer versuchte, sich erneut zu konzentrieren und kam schließlich zu sich – was hauptsächlich seiner langjährigen Übung darin zu verdanken war, konzentriert zu arbeiten. Es war, als flüchte sich sein Verstand in einen uralten Mechanismus, eine Art antrainierten Reflex im Angesicht des Unbegreiflichen. Ratio, Realität – und keine Monster unter dem Bett . Das würde funktionieren, ja. Und es gelang ihm tatsächlich – eine Vernunft wider aller Vernunft –, die Augen bewusst zu verschließen vor dem, was mit der Welt um ihn geschehen war, als Ratio und Ordnung beschlossen hatten, ihr Lebewohl zu sagen.
Nach langer Zeit erhob sich Singer roboterhaft auf seine kraftlosen Beine, wie ein alter Mann, den man in den Staub gestoßen hatte. Und er war gealtert – sein ehemals dunkles Haupthaar war nun durchzogen von weißen Strähnen und in seinen Augen wohnte ein Schrecken, der nie wieder ganz verschwinden würde. Er zog sich quälend langsam an dem Metallgeländer der Treppe hoch und setzte schließlich seinen linken Fuß auf deren unterste Stufe, dann den rechten auf die nächste. Und immer so weiter, Tritt für Tritt. Mit jeder Sprosse, die er sich von dem gierigen Versprechen des Wahnsinns hinter der Doppeltür entfernte, kehrte ein wenig Klarheit in seinen aufgewühlten Verstand zurück. Als er nach einer Ewigkeit die oberste Stufe der Metalltreppe erreicht hatte, war er immer noch weit entfernt davon, wieder »ganz der Alte« zu sein.
Aber es würde genügen, um weiterzumachen. Um zu funktionieren.
Oben angekommen, begrüßte ihn die weit aufgerissene Tür zur Beobachtungskanzel. Einst eine luftdichte Isolationsschleuse, war sie nun kaum mehr als ein Durchgang, in dem die verbogenen Reste einer zentimeterdicken Stahltür hingen, aufgefetzt und zerrissen wie von riesigen Klauen.
Er betrat das Kontrollzentrum. Von hier hatte Murnauer ihre Versuche in der Laborhalle beobachtet und ihnen seine körperlosen Befehle gesandt. Und er hatte darauf bestanden, dass Landau, dieser Wahnsinnige im Doktorkittel, die Obduktion fortsetzte, bis die Pustel explodiert war. All das hatte Murnauer von hier oben in seiner VIP-Loge verfolgt – wie ein verdammtes Fußballspiel. In dessen Verlauf sie eindeutig nicht in Führung gegangen waren, im Gegenteil.
Der kleine Raum wurde von einer gigantischen Glasscheibe dominiert, durch die man die Halle unten überblicken konnte. Singer sparte sich den erneuten Anblick dessen, was da unten war und wandte sich stattdessen dem Inneren des Raumes zu. Bis auf ein paar bequeme Sessel bestand die Kanzel im Wesentlichen aus einer Unzahl von Bildschirmen an den Wänden, von denen einige immer noch ihren Dienst taten. Offenbar konnte man von hier oben weite Teile der Anlage überwachen – Gänge und Büros, und selbstverständlich die unzähligen Labore.
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