Drachen-Mädchen
Eurem Wesen, mich freizulassen.«
»Ach herrje!« fluchte Irene. »Den Hypno-Blick habe ich ganz vergessen!« Aber sie legte die Keule gehorsam beiseite und befahl der Tintenfischpflanze, die Hexe loszulassen. Sie besaß eine gewisse, wenn auch eingeschränkte Macht über die Pflanzen, die sie wachsen ließ, obwohl sie bei den aggressiveren Arten doch noch sehr vorsichtig sein mußte. Ein Gewirrbaum ließ sich beispielsweise von niemandem viele Befehle erteilen. Sie beschloß, der Hexe sofort den Rücken zuzukehren, sobald der Zwang nachließ, um nicht wieder von ihr hypnotisiert zu werden.
Doch bevor dies geschehen konnte, hatte die Hexe sie schon wieder hypnotisiert. »Setzt Euch, Frau. Hört mir zu.«
Irene setzte sich auf einen wackeligen alten Schemel und hörte der Hexe, kochend vor Wut, zu.
»Ich will mich zunächst einmal vorstellen«, fing die Hexe an. »Ich bin Xanthippe, die böse Hexe der Wildnis. Ich pflege Umgang mit den Xanthorrien-Bäumen, den Ur-Pflanzen Xanths, wie der Name schon sagt. Ihr habt mein Grundstück unbefugt betreten und befindet Euch jetzt in meiner Gewalt.
Ich sehe, daß Ihr selbst eine Zauberin seid, und das bereitet mir größere Freude, als Ihr ahnen könnt, dennoch bleibt Ihr meinem Willen Untertan. Denn ich habe Eure Tochter.«
Irene konnte nichts erwidern, weil ihr befohlen worden war, nur zuzuhören. Doch die Nachricht wirkte wie ein Stromstoß, und sie beugte sich aufmerksam vor.
»Sie und der kleine Drache sind Gefangene meiner Zeitian-Pflanze«, fuhr die Hexe fort. »Auch sie haben mein Revier unbefugt betreten und eine Menge Unheil angerichtet, bevor sie festgesetzt wurden. Sie werden auf alle Zeit verzaubert bleiben, es sei denn, ich lasse sie frei. Zumindest aber werden sie dort ein Jahrhundert bleiben müssen, je nachdem, was zuerst kommt.« Sie musterte Irene nachdenklich. »Oh, natürlich, bei Eurer Macht über Pflanzen könntet auch Ihr sie freisetzen – aber ich allein weiß, wo mein Zeitian versteckt ist und wie er bewacht wird. Ich kann Euer Kind vernichten lassen, bevor Ihr es retten könnt. Wenn Ihr es also wiederhaben wollt, dann wird dies nur geschehen, wenn ich das will – und nur zu meinem Preis.«
Nun war Irene fähig, etwas zu erwidern. »Ihr habt den Nerv, meine Tochter als Geisel zu nehmen? Wißt Ihr, wer ich bin?«
»Nein«, erwiderte die Hexe. »Wer seid Ihr denn?«
Irene erkannte plötzlich, daß diese alte Vettel womöglich noch schlimmer zu handhaben sein würde, wenn sie erführe, daß sie die Königin von Xanth in ihrer Gewalt hatte. Da war es wohl besser, sie darüber nicht aufzuklären. »Ich bin – Irene. Was muß ich tun, um mein Kind wiederzubekommen?«
Wieder blickte die Hexe sie zufrieden an. »Das ist die richtige Einstellung! Ihr scheint mir eine prächtige, gesunde junge Frau mit guten magischen und einigen praktischen Fähigkeiten zu sein. Letzteres sieht man auch daran, wie Ihr Eure Kleidung aus Handtüchern gefertigt habt. Ihr solltet eine ausgezeichnete Frau für meinen Sohn abgeben, und Euer Talent würde sich auch gut mit meinem ergänzen.«
Irene war entsetzt. »Eine F – F…« Sie brachte das Wort nicht über die Lippen. »Aber ich bin verheiratet! Ich habe ein Kind! Deshalb bin ich doch hier draußen und suche danach!«
»Ich will ja auch eine Frau, die gebärfähig ist. Ich will, daß mein Sohn sich häuslich niederläßt und eine Familie gründet. Daß er unter den Einfluß einer kompetenten Frau gerät, die eine erwiesene Gebärerin ist. Ihr werdet schon genügen.«
»Ich werde überhaupt nicht genügen!« fauchte Irene. »Ihr könnt mich vielleicht fünf Minuten lang zu etwas zwingen, aber Ihr werdet mich nie dazu bringen, auf immer bei einem Mann zu bleiben, den ich nicht liebe!«
»Es gibt vieles, was eine kluge Frau mit einem Mann in fünf Minuten machen kann, mit oder ohne Liebe«, bemerkte Xanthippe. »Ich kann dafür sorgen, daß Ihr es tut, und am nächsten Tag wieder – so oft, wie es nötig ist. Und wenn Ihr dann erst einmal das Kind meines Sohnes tragt, werdet Ihr vielleicht nicht mehr so begierig darauf sein, ihn zu verlassen.«
Irene war erneut von der Direktheit und Skrupellosigkeit der Hexe schockiert. »Das ist doch nicht möglich!«
»Ich kann Euch versichern, daß es sehr wohl möglich ist. Was glaubt Ihr denn, wie ich meinen Sohn bekommen habe?«
Ja, wie auch sonst! Selbst in ihrer Jugend mußte Xanthippe viel zu häßlich gewesen sein, um einen Mann zu bekommen. Doch ihre Magie konnte
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