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Drachen-Mädchen

Titel: Drachen-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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von zweiundfünfzig Wochen pro Jahr altern, plus oder minus ein bis zwei Tage; oder, sollte dies nicht zutreffen, zumindest mit zwölf Monaten pro Jahr. Doch die Intensivierung der Zeit in der Nähe des Zeitians verzerrte und krümmte die Umwelt auf eine Weise, die allenfalls ein brillanter mundanischer Experte in eine Theorie hätte fassen können, und tatsächlich alterte die Jahrhundertpflanze im Augenblick im Verhältnis von einem Jahr pro Minute.
    So dauerte es nur dreiundneunzig Minuten, bis Ivy nach der Berührung durch den Zeitian Gewalt über diesen erlangt hatte. Die Jahrhundertpflanze vollendete ihren Zyklus und erblühte. Sie ließ einen Mittelstengel emporschießen, der sich verzweigte und Blüten zu tragen begann. Das tat er direkt unterhalb des Zeitians, denn dieser befand sich im Mittelpunkt der Pflanze. Die Hexe hatte den Zeitian dort plaziert, weil sie wußte, daß er hier hundert Jahre lang nicht gestört werden würde. Bis dahin würde sie sich selbst nicht mehr für ihn interessieren – und tatsächlich hatte sie sieben Jahre lang auch recht gehabt. Für Menschen, die so alt waren wie Xanthippe, war Zeit sehr wichtig.
    Doch nun wuchs der Stengel der Blume in die Höhe und trug den Zeitian mit sich. Der Stengel kümmerte sich nicht um das verzauberte Mädchen und den Drachen, auf die er nicht eingerichtet war. So wurde im Laufe der Zeit der Kontakt zwischen Zeitian, Mädchen und Drache unterbrochen. Es war nur eine kleine Zeitianpflanze, und ihr Wirkungskreis war begrenzt; das war möglicherweise ein Segen, denn sonst hätte ganz Xanth mitsamt einem Teil von Mundania eine Zeitbeschleunigung erfahren, was wiederum andere Komplikationen nach sich gezogen hätte. Sobald der Kontakt unterbrochen war, endete auch der Zauber der Zeitlosigkeit.
    Ivy und Stanley erwachten gemeinsam. Sie gähnten und reckten sich nicht, weil sie ja nicht geschlafen hatten. Ihnen erschien es vielmehr, als sei keine Zeit verstrichen. Sie waren nicht einmal um dreiundneunzig Minuten gealtert, da der Zeitian nicht alle Dinge in gleichem Umfang beeinflußte, schon gar nicht Magierinnen und ihre Begleiter. Sie bemerkten nicht, wie die Sonne in den eineinhalb Stunden am Himmel weitergehüpft war, denn diese befand sich augenblicklich zufällig hinter einer Wolke.
    »He!« beschwerte sich Ivy. »Gerade wollte ich mir eine hübsche Scheibe holen – und da ist sie einfach davongeschossen, so daß ich sie nicht mehr erreichen konnte! Das war aber gar nicht nett von ihr!«
    Der Drache stimmte ihr dampfschnaubend zu. Er mochte es nicht, wenn seine Freundin unglücklich war. Er versuchte, den Blumenstengel emporzuklettern, um ihr die Scheibe zu holen, doch der Stengel war zu schmal für ihn, um einen richtigen Halt zu bekommen, und zu hart und zäh, als daß er ihn hätte herabziehen können.
    »Ach, mach dir nichts draus, Stanley«, sagte Ivy verschnupft. »Ich wollte sie sowieso nicht wirklich haben.« Das war die sogenannte Saure-Trauben-Technik, und bei dieser Gelegenheit erwies sie sich als äußerst angemessen. »Ich mag diese großen Bäume nicht mehr; klettern wir wieder hinunter.«
    Stanley war zufälligerweise selbst ein Bodengeschöpf, so daß er nur zu froh war, Ivys Wunsch entsprechen zu können. So kletterten sie in die Tiefe, bis sie die Köpfe aus dem unteren Teil des Laubdachs hervorstrecken und auf den Boden blicken konnten.
    Doch nun standen sie vor einem Problem. Denn sie befanden sich zu weit oben, um gefahrlos hinunterspringen zu können, und der massige Stamm des Baums ragte glatt und senkrecht empor, so daß sie an ihm nicht leicht hinabklettern konnten.
    »Wir müssen um Hilfe rufen. Wenn eine Damsell um Hilfe ruft, kommt immer irgend jemand vorbei.« So war das jedenfalls bisher immer gewesen. »Ein Ritter in schimmernder Rüstung, glaube ich.«
    Stanley hatte da zwar so seine Zweifel, aber da er nicht auf Rettungen spezialisiert war, überließ er Ivy die Handhabung dieser Sache.
    Ivy atmete kurz und tief ein und schrie: »HILFE!«
    Kurz darauf rührte sich auch etwas weit unten. Es war eine Person, die offensichtlich kam, um sie zu retten. Ivy war entzückt.
    Sie spähte hinab, ihrem Wohltäter sehr gewogen, wer oder was er auch immer sein mochte. Tatsächlich, der Ritter war ein gutaussehender junger Mann mit einem intelligenten Gesichtsausdruck. Er schien seine schimmernde Rüstung zurückgelassen zu haben, aber vielleicht lag das auch daran, daß es zu warm war; das spielte jetzt keine Rolle. Sofort

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