Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachen-Mädchen

Titel: Drachen-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
deshalb aber auch nicht richtig tot. Sie besaßen Gefühle und kannten so etwas wie Loyalität und Tapferkeit, wie Zora so dramatisch bewiesen hatte. Zora hatte mehr gegeben und weniger dafür verlangt als alle anderen auf dieser seltsamen Reise.
    »Sie ist ein anständiger Mensch«, sagte Irene, obwohl sie wußte, daß diese Untertreibung so groß war, daß man sie schon obszön hätte nennen müssen.
    »Ja. Ein Jammer, daß sie tot ist.«
    Und das war die eigentliche Tragödie dabei: Wie konnte man etwas einer Person entgelten, die gar nicht lebte? Das war die Mauer, an der alle frommen Vorstellungen erbarmungslos zerschellten.
    Irene kletterte ins Baumhaus und stieg in ihre Affen-Puzzle-Kammer. Xavier und Grundy legten sich ebenfalls zur Ruhe.
    Irene lag wach im Dunkeln. Das Zombiemädchen gab tatsächlich einen Geruch von sich wie fauliges Laub oder ein kleiner Tierkadaver, den man in der Sonne hatte liegenlassen. Aber Xavier hatte recht: Es war nur halb so schlimm; erst recht, wenn man daran dachte, was Zora getan hatte.

9
Parnaß
    Am Morgen waren Xap und Chem wieder da. Irene hatte sie zurückkommen hören, hatte es aber vorgezogen, keine Fragen zu stellen. Schließlich ging es sie wirklich nichts an. Deshalb war sie auch so höllisch neugierig!
    Vielleicht war es ja nur ihre Einbildung, dachte Irene, aber im Dämmerlicht des Morgengrauens sah Zora schon besser aus. Die Peitschenwunden hatten sich geschlossen, so daß keine Knochen mehr zu sehen waren, das Fleisch hing ihr nicht mehr in Fetzen vom Leib, und ihre Augen schienen wieder normal sehen zu können. Anscheinend taten ein warmer Unterschlupf und etwas Ruhe auch einem Zombie ganz gut.
    Aber was wußte sie auch schon über diese Wesen? Witze wie: Wie viele Zombies braucht man, um eine Glühbirne zu pflanzen? Sie hatte die Pointe vergessen, war sich aber sicher, daß sie sie inzwischen nicht mehr komisch finden würde. Und außerdem ging es um einen anderen Punkt, wie sie sich erinnerte: menschliche Zuneigung und Wärme. Das sollte das einzige sein, was einem Zombie helfen konnte – und das einzige, was nur wenige Zombies, wenn überhaupt einer, jemals erhielten. Doch hatten alle sie nach der Begegnung mit den Furien in ihre Gruppe aufgenommen. Vielleicht hatten sie auf diese Weise ja doch wenigstens einen Teil ihrer Schuld beglichen.
    Irenes ursprüngliche Kleider waren inzwischen getrocknet, so daß sie sich nicht mehr mit Handtüchern und anderen Ersatzmitteln zu behelfen brauchte. Das hob ihre Laune merklich. Sie ließ Milchkraut und Eierpflanzen zum Frühstück wachsen, für diejenigen, die hungrig waren. Xap und Chem hatten keinen Hunger; wahrscheinlich hatten sie in der Nacht während des Ritts gespeist.
    Chem projizierte ihre Karte. »Hier ist der Berg Parnaß«, erklärte sie und wies auf ein großes Gebiet mit unregelmäßigen Konturen. Es war, als würde man es von oben aus der Luft betrachten. »Er hat zwei Gipfel. Derjenige, zu dem wir wollen, liegt hier im Süden. Dort leben die neun Musen; da drüben ist die Orakelhöhle, aber die werden wir umgehen, um zu dem Gipfel zu gelangen, wo der Baum der Samen wächst. Es ist ein ziemlich steiler Aufstieg, aber wir werden es schon schaffen, wenn nicht…«
    Irene gefiel dieses Zögern nicht. »Wenn nicht – was?«
    »Wenn nichts dazwischen kommt«, meinte Chem.
    »Was könnte denn dazwischen kommen?«
    »Na ja, Xap meint, daß auf dem anderen Gipfel des Parnaß Dinge sind, die – aber diese Bergseite werden wir ja auch nicht bereisen…«
    »Trotzdem sollten wir uns gut vorbereiten«, versetzte Irene. »Vor allem, wenn man an den Fluch denkt.« Sie hatte Chem von den Ereignissen des Vorabends berichtet. »Was Grundy und Zora berührt, berührt auch uns, weil wir ja als Gruppe reisen. Also erzählt uns schon, was dort oben auf dem anderen Gipfel lauert.«
    »Dazu muß ich wohl etwas länger ausholen«, meinte Chem entschuldigend. Anders als manche andere Zentauren liebte sie es nicht, ihre gewaltige klassische Bildung zur Schau zu stellen.
    »Spuck’s schon aus, Pferdefuß«, sagte Grundy. »Wenn irgendwas Schlimmes kommt, erwischt es sowieso mich als ersten.«
    »Der Orakelschrein wurde ursprünglich von dem Python bewacht, der über ein genaues Wissen um die Fehler der Menschen verfügte. Aber dieses riesige Reptil wurde angegriffen, schwer verletzt und vertrieben. Er hat nur deswegen überlebt, weil er auf den anderen Gipfel des Parnaß fliehen konnte, wo der Baum der Unsterblichkeit stand,

Weitere Kostenlose Bücher