Drachen, Orks und Magier
hatte nicht das Gefühl, dass sein Schwert lebte, so wie die Axt gelebt hatte. Auch kam seine Kraft jetzt nicht aus dem Schwert, sondern aus ihm selbst!
Statt weiter in der Defensive zu verharren, ging der Thyrer jetzt zum Angriff über.
Das Axtwesen hatte sichtliche Mühe, seine Angriffe abzuwehren.
„Woher … Woher hast du nur diese Kraft?“, keuchte jetzt der schwarze Ritter.
Whuon sagte nichts. Er wusste ja selbst nicht, woher er so plötzlich die Kraft hatte.
Vielleicht war er noch unwissender als das Axtwesen.
Mit einem schnellen, geschickten Hieb zerschlug er nun die Axt des Ritters. Ein erschrockenes Stöhnen war zu hören, das schließlich in ein schrilles Kreischen mündete, als Whuon den Ritter mit einem weiteren Hieb den Abhang hinunterstieß.
Er überschlug sich im Sturz einmal und blieb dann reglos liegen. Whuon seufzte.
Er steckte sein Schwert wieder an seinen Platz. Langsam ging er zu dem leblosen Körper, der noch immer ganz und gar von einer undurchdringbar scheinenden Rüstung verdeckt war. Vorsichtig öffnete Whuon das Visier.
Aber da war nichts. Die Rüstung war leer. Etwas entfernt lag die zerbrochene Axt.
„Nun gibt es weder ein Schattenwesen noch ein Axtwesen. Und es wird nie wieder eine schwarze Stadt geben!“ Der Thyrer lauschte dem Echo.
Dann wandte er sich an das rote Ross.
Doch es war nicht mehr da.
Aber Whuon war nicht einmal erschrocken. Er fühlte sich müde. So müde, wie er sich noch nie in seinem Leben gefühlt hatte.
Er sehnte sich nach dem Tod, denn er wusste ja nun, dass der Tod nur das Tor zu einer neuen Geburt war.
Was hielt ihn also davon ab, sich das Schwert in den Leib zu stoßen? Was wollte er denn noch auf dieser Welt? Hatte er seine Lebensaufgabe nicht erfüllt?
Whuon sehnte sich nach einer Konditionierung für eine neue Lebensaufgabe – er sehnte sich nach einem neuen Leben.
Langsam und etwas zögernd holte er sein Jagdmesser aus dem Gürtel.
Nachdenklich betrachtete er es.
Es erschien ihm nicht mehr bedeutungsvoll, ob er seine Heimat Thyrien erreichte oder nicht.
Fest umklammerten seine Finger den Griff des Messers.
Whuon war dazu bereit, es sich zwischen die Rippen zu stoßen.
Er holte aus.
Doch zum Zustoßen kam es nicht. Irgendetwas hielt ihn davon ab. Wieder eine fremde Macht?
Es schien so, als bewege sich Whuons Arm ohne sein Zutun. Er nahm das Messer und schleuderte es weit von sich.
Er hörte das leise Geräusch, das das Messer bei seinem Aufprall auf den harten Fels verursachte.
Whuon schüttelte nur den Kopf. Er verstand sich selbst nicht mehr. Warum konnte er sich selbst nicht umbringen, obwohl er dazu bereit war?
War seine Lebensaufgabe am Ende doch noch nicht erfüllt?
Dieser Gedanke entfachte in Whuon Panik.
„Was soll ich denn noch alles tun?“, schrie er, und das Echo der Berge antwortete ihm Dutzende von Malen.
4.
„Komm!“, sagte hinter Whuon eine Stimme. Der Thyrer drehte sich um. Yllon lächelte ihn an.
„Du hast gesiegt“, stellte der Magier von Aryn fest. Whuon nickte düster. Ein Schatten fiel über sein Gesicht.
„Ja! Ich habe gesiegt.“
Sarkasmus lag in diesen Worten.
Was nutzte es Whuon, dass er gesiegt hatte?
„Warum hat das Axtwesen gegen mich gekämpft?“, fragte er jetzt an Yllon von Aryn gewandt.
„Es sah in dir einen Gegner.“
„Wie konnte ich ein Gegner für ein so mächtiges Wesen sein?“
„In dir schlummerten verborgene magische Kräfte, die das Axtwesen für sich nutzen wollte. Mit Hilfe diese Kräfte gelang es ihm auch, das Schattenwesen zu besiegen. Als die Kräfte aber freigesetzt waren, verlor das Axtwesen die Kontrolle über dich.“
Whuon sah auf die leere Rüstung herab.
„Sage mir, was ich noch tun muss, damit meine Lebensaufgabe erfüllt ist, damit der Gedanke, den ich darstelle, zu Ende gedacht ist!“, rief er dann mit einem verzweifelten Unterton.
„Ich weiß es nicht. Die Zeit muss es zeigen“, war Yllons Antwort, doch sie befriedigte Whuon nicht.
„Vielleicht ist es meine Aufgabe, alles Böse aus diesem Kosmos zu vertreiben.“
„Das kann nicht im Sinne des Schöpfers liegen und schon gar nicht im Sinne der guten Hälfte des Schöpfers.“
„Warum nicht?“
Yllon lächelte.
„Weil das Gute nur deshalb da ist, weil es auch das Schlechte gibt. Das Gute kommt nicht ohne das Schlechte aus und umgekehrt. Es ist eine Illusion zu glauben, dass es ein Universum geben könnte, in dem es nur das Gute gibt. Es muss immer ein relatives Gleichgewicht
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