Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenauge

Drachenauge

Titel: Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey
Vom Netzwerk:
kannte die notwendigen Schritte, die dazu führen sollten, den Roten Stern zu observieren, mittlerweile auswendig.
    Am östlichen Kraterrand wollte man ein kreisrundes
    ›Auge‹ einsetzen, auf das ein so genannter ›Fingerfelsen‹ zeigte. Seit einer Woche waren Kalvis Leute dabei, die beiden Markierungspunkte auszufluchten, damit sich die Bahn des Roten Sterns verfolgen ließ. Zur endgültigen Installation brauchte man nur noch eine absolut sternenklare Nacht.
    Kalvi gab sich viel Mühe mit der Konstruktion des
    ›Augensteins‹, in dessen kreisrunder Aussparung man den Roten Planeten am Morgen der Wintersonnenwende sehen konnte. Das größte Problem bereitete die Aus-richtung des Fingerfelsens, neben dem der Beobachter stehen musste, um die Position des Wanderplaneten zu erkennen.
    Der Fingerfelsen musste so beschaffen sein, dass
    Menschen unterschiedlicher Körpergröße die Vorrichtung benutzen konnten. Zur Veranschaulichung hatte man Pläne von Stonehenge und anderen prähistorischen Steinsetzungen herangezogen. Bethanys Schüler hatten die Bilder aus alten, nie gebrauchten Dokumenten aufgestöbert.
    Clisser war froh, dass Sallisha sich nach Nerat begeben hatte, um dort das Ende des Planetenumlaufs zu feiern und gleich im neuen Jahr mit ihrer dortigen Lehrtätigkeit zu beginnen. Mit Sicherheit hätte sie ihm unter die Nase gerieben, wie Recht sie doch mit ihrer Forderung hatte, altes Wissen zu konservieren.
    In Gedanken legte er sich bereits Argumente zurecht, mit denen er kontern wollte, falls sie auf die Idee kam, ihm einen Brief zu schreiben. Hauptsächlich konnte er sich darauf berufen, dass es immer irgendjemanden 353
     
    geben würde, der sich mit Vorgeschichte befasste und wusste, wie man Quellenstudium betrieb.
    Dann war es soweit, und Clisser stand aufgeregt und frierend auf dem Kraterrand des Benden-Weyrs. Die Teleskope waren ausgerichtet, und Kalvi und Jemmy stellten die selbst angefertigten Gerätschaften auf. Als Zeiger hatte Kalvi einen Kegel aus Stein konstruiert.
    Jemand, der zu einer bestimmten Stunde sein Kinn auf die Spitze des Konus legte, würde den Roten Stern im Ring des Augensteins sehen, sowie dieser Unheil bringende Planet über dem Horizont von Pern auftauchte.
    Sicherheitshalber mussten sie unterschiedlich große Leute als Beobachter auswählen, doch dies war ein rein technisches Problem, das sie sogleich angehen konnten.
    Clisser war der Größte aus dem Team, Kalvi der Kleinste. M'shall und Jemmy lagen irgendwo dazwischen.
    Wenn jeder von ihnen den Roten Stern im Augenstein
    erkennen konnte, war die Vorrichtung korrekt ausge—
    fluchtet.
    Ob sich die Maßnahme auch konkret bewähren würde, stünde erst in ungefähr zweihundert Jahren fest, beim dritten Vorbeizug des Roten Sterns.
    Clisser genoss den Augenblick. Wenn ihm nur nicht
    so kalt gewesen wäre. Er schlug sich die Arme gegen den Körper, um sich ein wenig aufzuwärmen. Trotz der dicken Bekleidung fror er erbärmlich. In den Stiefeln konnte er kaum noch die Zehen spüren, und sein Atem gefror in der eisigen Luft, sodass er schon befürchtete, der weiße Schwaden könne die Sicht beeinträchtigen.
    »Da kommt er!«, sagte Kalvi mit gepresster Stimme.
    Clisser strengte die Augen an, vermochte in der früh-morgendlichen Dämmerung indessen nichts zu erkennen. Kalvi spähte durch sein Instrument.
    Ein Hauch von Rot erschien am unteren Rand des
    Auges, ein Fleck, der zu pulsieren schien. Aus den Aufzeichnungen des Kolonistenschiffs Yokohama wussten sie, dass der Rote Stern größenmäßig der Venus ent-354
     
    sprach, einem Schwesterplaneten der alten Erde. Und er war genauso unbewohnbar.
    Während Clisser mit angehaltenem Atem schaute,
    kam es ihm vor, als sähe man diesem Planeten an, dass er Tod und Verderben in seinem Gefolge mit sich führte.
    Hatte man nicht einen anderen Satelliten des Sol-Systems als ›Roten Planeten‹ bezeichnet? Ja, sicher, der astronomische Name lautete Mars. Benannt war er nach einem Kriegsgott.
    Rot war die passende Farbe für einen Planeten, der
    Unheil brachte. Clisser fragte sich, wie es möglich war, dass die Fäden, ein lebendiger Organismus, sich auf einer Welt entwickeln konnten, die einen so erratischen Orbit besaß wie der ominöse Rote Stern. Seine stark in die Länge gezogene elliptische Umlaufbahn führte ihn die meiste Zeit weg von Rubkats Leben spendender Wärme. Selbstverständlich wusste Clisser, dass seine Raumfahrt betreibenden Ahnen noch viel merkwür-digere Lebensformen

Weitere Kostenlose Bücher