Drachenauge
kom-patiblen Partner fand. Der darauf folgende Tod des jungen Drachen stürzte den Weyr in ein solches Chaos, dass man alle möglichen Vorkehrungen traf, um eine 100
Wiederholung dieses tragischen Ereignisses zu vermeiden. Notfalls ging man sogar so weit, den Drachen auf die Zuschauer anzusetzen, damit er sich aus der Menge einen passenden Gefährten herauspickte.
Mitunter kam es auch vor, dass ein Ei nicht zersprang. Früher, als man noch die erforderliche Technik beherrschte, führte man Nekropsien durch, um nach dem Grund zu forschen. In den meisten Fällen hatte es Probleme mit dem Dotter gegeben, oder der Embryo war missgebildet und hätte nach dem Schlüpfen nicht überlebt. Drei Mal hatte man vergeblich nach einer Ursache gefahndet; die Untersuchungen ergaben perfekt ausgebildete Föten, ohne offensichtliche Entstellungen oder Anomalien. Es wurde dringend empfohlen, sich dieser Eier unverzüglich im Dazwischen zu entledigen.
Dem Weyrführer und seinem Bronzedrachen oblag es,
diese traurige Pflicht zu erfüllen.
»Ich sah, wie sie angaloppiert kam«, fuhr das Mädchen fort, begierig, mit ihrer Beobachtung zu prahlen.
»Ihr auf den Fersen folgten die drei Männer, die sie aufhalten wollten.«
»Dann hast du auf dem besten Platz im ganzen Amphitheater gesessen«, kommentierte K'vin und grinste.
Das Mädchen blickte selbstgerecht in die Runde. »Ja, das finde ich auch. Ich konnte alles ungehindert beobachten. Sogar den Angriff des Drachen, der versuchte, einen der Typen aufzufressen. War das der Vater des Mädchens, der auf einmal blutend am Boden lag?«
»Suze, halte bitte den Mund«, fuhr ihr eigener Vater dazwischen, und der Junge neben ihr musste sie gekniffen haben, denn sie schoss von der Bank hoch und funkelte den Buben wütend an.
»Ja, es war der Vater«, bestätigte K'vin.
»Wie konnte er nur so unvernünftig sein, sich an einer Drachenreiterin zu vergreifen?«, wunderte sich Suzes Vater sichtlich schockiert.
»Seinen Fehler hat er mittlerweile wohl eingesehen«, 101
erwiderte K'vin trocken. »Wie wird sich Ihr Sohn …«
Wie immer, flüsterte Charanth ihm den Namen des
frisch gebackenen Reiters so rasch zu, dass die kleine Pause nicht auffiel. »Wie wird sich Ihr Sohn Thomas denn als Drachenreiter nennen?«
»Nun, ich glaube, Thomas hat mit so viel Glück gar
nicht gerechnet«, mischte sich seine Mutter ein. Auf ihrem Gesicht spiegelten sich Stolz über die Beschei-denheit ihres Sohnes und Freude über seinen Erfolg wider.
»Der Name Thomas hat ihm noch nie gefallen«, antwortete Suze, die einfach nicht still sein konnte. »Er wird sich bestimmt was Neues aussuchen.«
»Ach, da kommt er ja, wenn ich mich nicht sehr irre«, rief K'vin und deutete auf den jungen Burschen, der auf sie zu schritt. K'vin hatte die Probanden unterrichtet und sie über ihre Pflichten aufgeklärt, deshalb kannte er die meisten Neulinge vom Sehen.
Dieser Thomas ähnelte stark seiner Schwester und
dem neben ihr sitzenden Bruder, sodass er leicht zu identifizieren war. Er hoffte, Thomas gliche seiner Schwester nur äußerlich. Dem Mädel haftete etwas Gehässiges, Boshaftes an, das K'vin nicht gefiel.
»Gut gemacht, junger Mann«, lobte K'vin und streckte Thomas die Hand entgegen. »Und wie dürfen wir dich nun nennen?«
»S'mon, Weyrführer«, erwiderte der Bronzereiter,
dessen Wangen immer noch vor Aufregung und Freude
glühten. Er hatte einen festen, angenehmen Hände—
druck. »Zuerst dachte ich an T'om, aber dann entschied ich mich doch anders.«
»Du sagtest, dass …« Offenbar erhielt Suze abermals einen Fußtritt unter dem Tisch, denn sie quiekte vor Schmerz, und Tränen traten ihr in die Augen.
»S'mon ist leichter auszusprechen«, fuhr der junge
Reiter fort, »und Tiabeth gefällt der Name.« Nun verströmte er die eigenartige Mischung aus Stolz und Au-102
torität, die viele brandneue Weyrlinge entwickelten, während sie sich an ihre neue Stellung und Verantwortung gewöhnten. Und das Hineinwachsen in diese von Aufgaben und Privilegien geprägte Existenz dauerte
seine Zeit, wie K'vin sich noch sehr gut erinnerte.
»Außerdem gab es schon in der ersten Gruppe in Benden einen T'mas.«
»Aber der ist doch seit langem tot«, hielt der Vater entgegen, der die Wahl seines Sohnes keineswegs billigte. »Der Name Thomas hat in unserer Familie eine lange Tradition«, erklärte er K'vin. »Ich bin Thomas der Neunte in meiner Linie.«
Der Bursche betrachtete seinen Vater ein wenig
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