Drachenblut 01 - Die Väter
der, just
in diesem Moment, ein leises Wimmern von sich gab. Eine bessere Möglichkeit
würde Siegfried nicht bekommen. Er spannte all seine Muskeln erneut an und
stieß sich aus der Hocke in die Höhe, um sich auch schon im nächsten Augenblick
auf das ahnungslose Reh zu werfen. Fast panisch versuchte er das Tier mit
beiden Armen zu umschließen, merkte jedoch, wie der zuckende Körper ihm auch
schon wieder entglitt. Im Fallen griff er verzweifelt ein weiteres Mal nach dem
Reh und konnte es selbst kaum glauben, als er einen der Hinterläufe in seiner
Hand spürte. Die Ricke zappelte und verpasste Siegfried einen kräftigen Tritt
mit ihrem freien Lauf, aber dieser hatte sie fest zu packen. Mit eisernem Griff
hielt er den Huf weiter in der Hand und rappelte sich blitzschnell auf, um das
Tier schon im nächsten Moment mit seinem Messer zu erlösen. Ein letztes Mal
zuckte die Ricke und ließ ihr Leben mit einem tiefen Seufzer. Ihr Kitz stand
wie angewurzelt daneben und Siegfried glaubte sogar, Traurigkeit in seinem
Blick zu erkennen. Er hatte seine Mutter getötet und es war zu befürchten, dass
auch dem Kitz ein qualvolles Ende drohte. Ohne Nahrung würde es kaum überleben
können. Gerade hatte er den Entschluss gefasst, es ebenso zu erlösen, als er es
auch schon mit großen Sätzen entschwinden sah. Er hatte wieder ein Leben
genommen - vielleicht sogar zwei. Aber das nur, um sich und den Säugling zu
retten. Das erschien ihm gerecht …
Bis auf
den letzten Tropfen hatte Siegfried den Euter der toten Ricke geleert. Noch
bevor er daran dachte seinen eigenen Hunger zu stillen, hatte er die wertvolle
Milch auch schon in einen der Wasserschläuche gefüllt. Der Knabe sog gierig an
der kleinen Öffnung und Siegfried fühlte deutlich, wie mit der Milch auch pures
Leben in den zarten Körper floss. Seltsam war, dass ihm dieses Schicksal
irgendwie bekannt vorkam. Wie hätte er wissen sollen, dass es ihm selbst
dereinst ähnlich ergangen war.
Schnell
war danach das Reh aufgebrochen und ebenso ein Feuer entfacht. Als Siegfried
das Fleisch zu rösten begann, da lief ihm das Wasser bereits im Munde zusammen.
Es war kein Wunder, dass er den größten Teil der Mahlzeit fast roh genoss. Als
er sich später satt und zufrieden zurücklehnte, betrachtete er noch eine ganze
Weile den schlafenden Säugling. Der nächste Morgen würde mit
Verdauungsproblemen beginnen - für beide.
Noch
bevor Siegfried einschlief, beschloss er, am kommenden Tag den Knaben und seine
Habseligkeiten zu packen, um sich heimwärts aufzumachen. Jeder weitere Tag an
Ort und Stelle dürfte ihnen nur zusätzliche Kräfte rauben, die sie dringend
genug für ihre Rückreise benötigten. Gunther, vorausgesetzt er käme zurück,
würde sich schon denken können, dass sie aufgebrochen waren. Wohin, das sollte
selbst sein närrischer Knappe erahnen können.
In der
Nacht dann, Siegfried lag bereits in tiefem Schlaf, versammelte sich ein
kleines Rudel Wölfe am Rande der Feuerstelle. Zweifellos hatte sie der Geruch
des Fleisches angelockt. Siegfried erwachte und brauchte einige Augenblicke, um
zur Besinnung zu kommen. Langsam öffnete er die Augen nur einen Spalt breit und
sah die Wölfe, in unmittelbarer Nähe, vor sich sitzen. Seine Gedanken
rotierten. Wie sollte er es mit einer solchen Vielzahl von Ungetümen aufnehmen?
Jetzt schienen die Tiere auch den Säugling zu wittern. Einer von ihnen machte
sich zögernd in Richtung Satteldecke auf - gewiss nicht um den hilflosen Knaben
zu wärmen. Siegfried schossen tausende von Gedanken durch den Kopf: Allein der
Weg hierher war bereits ein Abenteuer gewesen. Den Drachen hatte er getötet -
und jetzt sollte es so enden? Er beschloss, all seine Kräfte zu sammeln und die
ahnungslosen Wölfe zu überraschen. Mit einer gezielten Attacke dürften sie kaum
rechnen. Schon mit dem ersten Hieb müsste er zwei von ihnen erledigen, damit er
eine freie Flanke hätte. Leicht würden sie es ihm nicht machen. Er sammelte all
seinen Mut zusammen, rollte sich zur Seite und packte bereits im gleichen
Moment sein Schwert mit eisernem Griff. Der Überlebenswille verlieh ihm
ungeahnte Kräfte …
Kapitel 16: Schmerzhaftes Erwachen
Gunther
erwachte mit dröhnendem Schädel. Sein Gesicht war vollständig mit getrocknetem
Blut bedeckt. Er versuchte die Augen zu öffnen und stellte fest, dass nur eines
davon seinem Wunsch folgte. Das Andere war so verklebt, dass er mit den Händen
nachhelfen musste.
Nur
langsam gewöhnten sich
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