Drachenblut
die nicht mit eigenen Augen das Skelett des Drachen gesehen hatten, standen ihren Ausführungen skeptisch gegenüber, obwohl keiner sich dazu herbeilieÃ, in aller Ãffentlichkeit Zweifel an Windblütes Ausführungen oder ihrer Kompetenz zu äuÃern.
Die Sitzung versprach spannend, wenn nicht gar dramatisch zu werden. Tieran stieg das Aroma des Backwerks in die Nase, das Moira und Alandro fabrizierten, und auf einmal merkte er, wie ihm bei dem Geruch übel wurde. Offensichtlich setzte ihm diese interessante Besprechung nervlich mehr zu, als er sich eingestehen wollte.
Die Tische im Speisesaal hatte man so hingestellt, dass sie ein lang gezogenes Oval bildeten. Emorra und die anderen Mitglieder des College saÃen an dem Ende, das der Küche am nächsten war. Ihnen gegenüber hatten die Weyrführer Platz genommen. An den beiden langen Seiten drängten sich die Burgherren und diversen Zunftmeister.
Tieran staunte nicht schlecht, als Emorra als Erste das Wort ergriff.
»Hat jeder eine Kopie der Agenda bekommen?«, erkundigte sie sich. Als alle nickten, fuhr sie fort: »Also gut, dann schlage ich vor, wir beginnen mit dem ersten Punkt â die tote Drachenkönigin und Windblütes Schlussfolgerungen.«
»Für eine Königin war sie viel zu klein«, rief Lord Kenner von Telgar dazwischen. Er sprach mit hoher, zittriger Stimme, und seine Blicke irrlichterten
nervös hin und her, während seine Hakennase auf und ab zu wippen schien.
»Weil sie noch nicht voll ausgewachsen war«, erklärte Tieran. »Dem Gebiss nach zu urteilen war sie keine sechs Monate alt, ich tippe auf ein Alter von rund zwei Monaten, mehr nicht.«
»Und du stimmst mit dieser Einschätzung überein?« Mendin fixierte Mâhall.
Mâhall nickte. »Allerdings.«
Mendin wandte sich wieder an Tieran und bedeutete ihm mit einem Kopfnicken, er möge weitersprechen. Tieran wölbte eine Augenbraue und sah Emorra an.
»Unserer Auffassung nach â¦Â«, fuhr Emorra fort.
» Wessen Auffassung?«, unterbrach Mendin sie in provozierendem Ton.
»Ich rede hier von der medizinischen Fakultät dieses College«, gab Emorra gereizt zurück. »Wenn du bitte so freundlich wärst, mich aussprechen zu lassen â¦Â«
Mendin blickte streitlustig drein, doch als er Mâhalls drohenden Blick auffing, gab er klein bei und hielt vorläufig den Mund.
»Wir sind zu der Ãberzeugung gelangt, dass diese Königin ein Jungdrache aus der dreiÃigsten bis vierzigste Generation ist«, erklärte Emorra. Die Burgherren starrten sie verständnislos an, während die Weyrführer, denen diese Information neu war, sich kerzengerade hinsetzten.
»Emorra, könntest du uns aufklären, welcher Generation unsere derzeitigen Drachen angehören?«, fragte Malon von Tillek höflich.
»Die jüngsten Tiere entstammen der sechsten Generation«, antwortete Emorra.
»Dann müsste diese Drachenkönigin ja aus der Zukunft gekommen sein«, sagte Kânel von Ista kopfschüttelnd.
»Wie ist es möglich, dass Drachen durch die Zeit reisen?«, wunderte sich Kenner.
»Drachen besitzen die Fähigkeit zur Teleportation, das umfasst auch Sprünge durch die Zeit«, erwiderte Windblüte. »Denn jede Bewegung durch den Raum ist untrennbar mit einer Bewegung durch die Zeit verbunden.«
Kenner blickte verstört drein.
»Raum und Zeit sind prinzipiell dasselbe«, legte Mâhall nach, der Mitleid mit dem alten Burgherren verspürte. »Zeitsprünge wurden bereits von uns durchgeführt.«
»Tatsächlich?«, platzte Mendin heraus.
»Und ob«, bestätigte Lâcan, der Anführer des Hochland Weyrs. »Obwohl es für den Reiter sehr anstrengend ist.«
»Wir schätzen, dass diese Drachenkönigin aus einer Zukunft kommt, die über vierhundert Planetenumläufe von unserer Gegenwart entfernt liegt«, teilte Emorra den Anwesenden mit.
»Nun, da bin ich aber erleichtert!«, rief Mendin. »Wenn das so ist, dann haben wir ja nichts zu befürchten.« Erwartungsvoll blickte er in die Runde. »Und was ist der nächste Tagesordnungspunkt?«
»Wir haben dieses Thema noch nicht ausdiskutiert«, wies Mâhall ihn zurecht. Er wandte sich an Emorra. »Besteht eine Gefahr für unsere Drachen?«
»Das glaube ich nicht. Die tote Königin wurde sofort mit
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