Drachenblut
kämpfte sich durch einen ausgewachsenen Orkan; die Windreiter lag so weit über, dass zwei Männer das Ruder bedienen mussten, während sich vier Seeleute abmühten, die Segel zu bergen.
Colfet entdeckte Baror am Ruder, zusammen mit einem anderen Mann, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Um sich im Brausen des Sturms verständlich zu machen, brüllte er aus voller Kehle: »Wo ist der Kapitän? Diese Segel taugen nicht für schweres Wetter, das Schiff krängt viel zu stark. AuÃerdem müssen wir den Kurs ändern â siehst du nicht, wie sich das Boot breitseits legt? Wenn wir nichts dagegen unternehmen, werden wir kentern!«
»Der Kapitän ist nicht hier!«, erwiderte Baror mit breitem Grinsen.
»Das sehe ich selbst!«, versetzte Colfet gereizt. »Und wo steckt er?« Er spähte in Richtung Bug. »Im Vorschiff, bei den Segeln?«
»Nein, du Dumpfbacke. Er ist gar nicht an Bord«, erklärte Baror, während sein Grinsen von einem Stirnrunzeln abgelöst wurde. »Er hat mir das Kommando übertragen, seit du dir die Gräten gebrochen hast!«
Eine Bö packte das Schiff und lieà es kreiseln; Baror packte das Ruder fester und schnauzte Colfet an, er solle ihm gefälligst helfen.
Colfet deutete auf den Neuen. »Wer ist das?«
Baror grinste hämisch. »Ein neues Besatzungsmitglied, das ich in der Halbkreisbucht angeheuert habe.« Er winkte seinem Kumpan kurz zu. »Vilo heiÃt er.«
Abermals legte sich die Windreiter quer zur See und tauchte dann tief in ein Wellental ein.
»Wir müssen das Schiff in den Wind drehen!«, brüllte Colfet. »Sturmsegel setzen und einen Treibanker auswerfen, dann können wir den Orkan abreiten!«
Baror schüttelte den Kopf. »Nein, wir behalten den gegenwärtigen Kurs bei! Ich werde diesen Feiglingen aus Ista zeigen, wie richtige Kerle segeln!«
Colfet wollte widersprechen, aber in diesem Moment kletterten zwei Männer aus der Luke an Deck. Beide waren grün im Gesicht und machten einen elenden Eindruck; sie schienen keine Fahrensleute zu sein. Er schickte sich an, Baror eine rüde Verwünschung entgegenzuschleudern, hielt jedoch inne, als er einen der Männer ins Visier fasste.
»Wer bedient die Pumpen?«, fragte er barsch.
»Geh hin und sieh nach!«, entgegnete Baror und behielt die beiden Landratten im Auge, die ihm entgegentaumelten.
»Ist wohl besser so!«, knurrte Colfet und steuerte auf die Luke zu. Als er an den beiden Seekranken vorbeikam, nickte er ihnen zu. »Hübsche Nacht, nicht wahr?«, bemerkte er ironisch. Die beiden Heimgesuchten verzichteten auf eine Entgegnung.
Sowie sie sich ein Stück von ihm entfernt hatten, verhärtete sich Colfets Miene. Vor der Luke blieb er stehen und sah sich noch einmal nach Baror und seinen Kumpanen um. »Baror!«, brüllte er. Noch zweimal musste er den Namen schreien, ehe er gehört wurde. »Wir sollten das Beiboot zu Wasser lassen â falls jemand über Bord geht.«
Baror lächelte zynisch. »Wenn einer ins Wasser fällt, hat er halt Pech gehabt!«
»Trotzdem â für alle Fälle sollten wir das Boot aussetzen!«
Baror kniff leicht die Augen zusammen, dann nickte er. »In Ordnung. Ich gebe den Befehl.«
Colfet nickte; seinen bandagierten Arm schonend, tauchte er ab in die
Finsternis unter Deck. So schnell es ging begab er sich in die Tiefen des Schiffs hinunter zum Pumpensumpf 4 . Schon aus der Ferne hörte er das Geräusch der Pumpen, und zu seiner Ãberraschung entdeckte er, dass die Windreiter weniger als einen Fuà Wasser gezogen hatte. Trotzdem war dies kein Grund, leichtsinnig zu werden â früher hatte das Bilgenwasser höchstens einen Zoll hoch gestanden.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass das Schiff nicht so bald sinken würde â es sei denn, Baror, dieser Idiot, lieà die Windreiter so tief in die Wellen eintauchen, dass sie nicht wieder hochkam, die Gefahr bestand immer bei schneller Fahrt und achterlichem Wind â hastete er nach achtern zum Quartier des Bordheilers.
Plötzlich gellte ein durchdringender, unartikulierter Schrei durch das Tosen des Sturms.
Colfet hetzte weiter und riss ohne viel Federlesens die Tür zu Loranas Kabine auf. Erschrocken sah er, dass das Mädchen sich mit dem Oberkörper über den Kabinentisch geworfen hatte und den Kopf in den Armen barg. Zwei
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