Drachenblut
nannte sie ihren Namen.
Die beiden Männer tauschten einen Blick, und Lorana gewann den Eindruck, dass sie soeben stillschweigend übereingekommen waren, ihr irgendetwas zu verheimlichen.
»Ich helfe dir«, erbot sich Kindan, setzte sich auf die Bettkante und reichte ihr die Tasse.
Dankbar schlürfte Lorana den Tee. Er war nur lauwarm und rann wohltuend durch ihre Kehle.
Während sie trank, beobachtete Kâtan sie aufmerksam. Als die Tasse leer war, gab sie sie Kindan.
»Danke«, sagte sie zu ihm. Dann wandte sie sich an den Heiler. »Der Tee hat mir gut getan.«
Kâtan nickte zufrieden.
Plötzlich tauchte Valla unter lautem Gezwitscher auf. Sowie die Feuerechse die ernsten Mienen der Anwesenden bemerkte, klappte sie das Maul zu und sah Kindan so bedauernd an, dass Lorana unwillkürlich lächelte.
»Ist er immer so lebhaft?«, fragte Lorana mit vergnügt funkelnden Augen.
»Sonst ist er noch viel ausgelassener«, entgegnete Kindan. »Ich glaube, er hält sich nur zurück, weil â¦Â«
»Weil ich an der Schwelle des Todes stand«, beendete Lorana den Satz.
»Bald wird es dir besser gehen«, sagte Kâtan zuversichtlich. »Wenn du den Tee ausgetrunken hast, kannst du ein wenig von der Brühe probieren.«
»Danach schlafe ich gleich wieder ein«, erklärte Lorana.
»Warst du schon einmal schwer krank?«, erkundigte sich Kâtan.
»Ja. Als die Pest grassierte.« Sie erinnerte sich, wie verzweifelt ihr Vater und sie gekämpft hatten, um ihre Mutter, den Bruder und die Schwester zu retten. Aber nach zwei Siebenspannen starb als Erste ihre Schwester Sanna, dann der Bruder Lennel, und zum Schluss die Mutter.
Nachdem das Fieber auch die Mutter hinweggerafft hatte, waren Lorana und ihr Vater sich in die Arme gefallen, und einer hatte sich an der Schulter des anderen ausgeweint. Am liebsten wären sie auch gestorben. SchlieÃlich war Lorana selbst erkrankt, und die fürchterlichen Albträume suchten sie nicht nur des Nachts, sondern auch tagsüber heim. Das einzig Tröstende war das Gesicht ihres Vaters, das sich über sie beugte, während er ihr sanft den Schweià von der Stirn wischte, oder wenn er versuchte, ihr löffelweise Brühe einzuflöÃen. Lorana wollte nicht weiterleben, sie wollte zu ihrer Mutter und ihren Geschwistern, aber dann siegte ihr Lebenswille; die Vorstellung, ihren Vater ganz allein zurückzulassen, gab ihr die Kraft, die Krankheit durchzustehen. Das Fieber sank, und nach einer Weile war sie genesen.
Sie spürte, dass irgendetwas in Kindan vor sich ging. Aufmerksam
fasste sie ihn ins Auge. Sein Gesicht war von vielen Lachfältchen durchzogen, doch sie sah es ihm an, dass er einen groÃen Kummer verbarg. Dieser Mann hatte selbst erlebt, was es bedeutete, geliebte Angehörige zu verlieren. Er hatte Menschen sterben sehen â viele Menschen.
»Werde ich überleben?«, fragte sie ihn ruhig.
Erinnerungen stürmten wie ein entfesselter Schwall von Bildern auf sie ein: Der Orkan; Colfet; wie sie über Bord gespült wurde; das Verscheuchen ihrer Feuerechsen â¦
»Hat man Colfet gefunden?«, fragte sie übergangslos und versuchte wieder, sich aufzurichten. Der Harfner wollte sie daran hindern, doch sie setzte ihren Willen durch. »Nachdem ich ins Wasser fiel, war er ganz allein im Boot, und er hatte einen gebrochenen Arm.«
Kindan schaute erschrocken drein. Kâtan setzte eine gespannte Miene auf.
»AuÃer dir haben die Drachenreiter niemanden gefunden«, erwiderte Kâtan.
»Bitte veranlasst, dass man weiter nach ihm sucht«, flehte Lorana.
»Ich werde mit dem Weyrführer darüber reden«, versprach Kâtan.
Lorana wandte sich an Kindan. »Was ist mit meinen Feuerechsen? Konnten sie sich retten?«
Kindan zuckte resigniert die Achseln. »Darüber ist mir nichts bekannt.«
Seufzend sank Lorana in die Kissen zurück.
»Hier, trink noch etwas Tee«, ermutigte Kindan sie und hob ihr die neu gefüllte Tasse an die Lippen. Als sie ausgetrunken hatte, fragte er: »Möchtest du jetzt ein bisschen von der Brühe kosten?«
Kâtan rüstete sich zum Gehen. »Ich sehe später wieder nach dir«, verabschiedete er sich von Lorana. Und mit einer Geste auf Kindan fügte er hinzu: »Bei ihm bist du in besten Händen.«
Â
Als Lorana das nächste Mal aufwachte,
Weitere Kostenlose Bücher