Drachenblut
verstand sich selbst nicht, warum sie ihm antwortete â und auch noch in diesem fürsorglichen Ton.
Sie vernahm Stimmengemurmel, das zunehmend lauter wurde. Es kam von der Brutstätte.
»Von einem solchen Vorkommnis habe ich noch nie gehört!«, erklärte jemand, dessen klangvolle Stimme weit trug. Sie glaubte, Kindans geschultes Harfnerorgan zu erkennen.
»Hat ein Jungtier noch niemals die Brutstätte eigenmächtig verlassen?«, vergewisserte sich eine Frau.
Vor Lorana tauchten in der von Fackeln erhellten Dunkelheit drei Schatten auf. Zwei besaÃen menschliche Form, und hinter ihnen tappte im schaukelnden Wiegegang ein ungeschlachtes Etwas. Ein Jungdrache!
Was hatte dieses Drachenbaby hier zu suchen?, wunderte sich Lorana.
Sie presste sich dich an die Wand, um nicht gesehen zu werden, doch der Drache steuerte zielstrebig auf sie zu.
Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich Hunger habe?
Lorana erstarrte vor Schreck und Ãberraschung. Ihre Augen weiteten sich, und sie atmete flach. Das war unmöglich! Unfassbar! Es konnte nicht der Drache sein, der zu ihr sprach, sondern ihr leerer Magen machte sich bemerkbar.
Hilf mir bitte; meine Schwinge tut weh. Die klägliche Stimme in ihrem Kopf wurde begleitet von einem schmerzerfüllten Jaulen, das an Loranas Ohren drang.
Ihre Instinkte siegten. Nie hätte sie es über sich gebracht, ein Tier leiden zu lassen. Sie lief zu dem unbeholfen watschelnden Drachen und löste geschickt die Krallen einer Tatze aus der Schwinge; in seiner Tapsigkeit hatte sich das Tier in der faltigen Flugmembran verheddert.
»So, ist jetzt alles in Ordnung?«, fragte Lorana. In ihrem Bestreben, das wunderschöne goldene Drachenbaby aus seiner misslichen Lage zu befreien, hatte sie nicht bemerkt, dass sich ein paar Leute zu ihr gesellt hatten.
Ja, Danke schön, erwiderte der Drache artig. Die junge Drachenkönigin stubste mit dem Kopf Lorana an. Ich bin Arith.
In diesem Moment wusste Lorana, dass das Unmögliche eingetreten war â sie hatte einen Drachen für sich gewonnen!
Loranas Verblüffung wurde jedoch von ihrem Pflegetrieb verdrängt. Als Arith sie mit einem Nasenstüber bedachte, taumelte sie, aber sie fiel nicht hin. Dann kauerte sie sich neben dem Tier in die Hocke, streichelte zärtlich Ariths Kopf und kraulte ihre Augenhöcker.
Endlich gewahrte sie die Zuschauer, die sie umringten. »Bitte«, wandte sie sich an sie, »Arith hat groÃen Hunger. Könnte jemand etwas Futter holen?«
»Selbstverständlich«, kam die prompte Antwort. Jemand löste sich aus der Menge und rannte in die Richtung, aus der die verlockenden Düfte herüberwehten.
»Bring auch gleich etwas Verpflegung für Lorana mit«, rief Kindan dem Davoneilenden hinterher; ohne dass er sich anstrengenden musste, reichte seine Stimme bis an den gegenüberliegenden Rand von Bendens gewaltigen Kraterkessel.
»Hier, zieh das an«, schlug eine Frau vor, die dicht neben Lorana stand.
Das Mädchen merkte, wie sie in eine warme Jacke gehüllt wurde. »Du bist nicht nur hungrig, du wirst auch frieren.«
Lorana hob den Blick und sah eine Frau, die schätzungsweise sechs oder sieben Planetenumläufe älter war als sie. Sie hatte blondes Haar und strahlend blaue Augen. An ihrer Seite stand, in beschützerischer Pose, ein rothaariger Mann. Nicht, dass die blonde Frau einen Beschützer gebraucht hätte; Lorana fand, dass sie selten in ihrem Leben einer Person begegnet war, die ein derart unerschütterliches Selbstvertrauen ausstrahlte.
»Einen Moment lang dachte ich schon, sie käme auf mich zu«, erklärte die Frau lachend. »Bin ich froh, dass sie dich als Partnerin auserkoren hat. Mit zwei Drachen ist man eindeutig überfordert.«
Ãber ihnen, am Himmel, ertönte ein Ruf, der ähnlich dem Trompeten eines Drachen klang. Eine ziemlich kleine, unansehnliche, geflügelte Echse mit goldglänzender Haut näherte sich ihnen im Sinkflug. Es war eine Wachwher-Königin, und nachdem sie anmutig auf dem Boden des Kraterkessels gelandet war, trottete sie zu der blonden Frau hinüber.
Der Wachwher beschnupperte Arith, die diese freundliche Geste voller Neugier erwiderte. Mit einem zufriedenen Zirpen rückte der Wachwher an die Seite der Frau und lieà sich von ihr den Kopf tätscheln.
»Jetzt weià ich, wer du bist!«, rief Lorana. »Du musst Nuella
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